Lösen Sie sich von gängigen Verhaltensmustern.
von Frank Seefelder
Wir alle sind in irgendeiner Form in bestimmten Verhaltensmustern gefangen. Der Griff zur Schmerztablette ist ein gängiges Muster, dem viele Menschen folgen. Es ist eine einfache und erprobte Handlungsweise zur Eindämmung des akuten, gesundheitlichen Problems. Die Frage nach der Ursache stellt sich erst dann, wenn dieses Mittel nicht wirkt. Dann müssen wir eine Änderung vornehmen, die unseren Lebensgewohnheiten entgegensteht.
Beantworten Sie einmal folgende Frage: Unterliege auch ich einem oder mehreren Verhaltensmustern? Haben Sie diese Frage mit »ja« beantwortet, dann sollten Sie überdenken, ob Ihre Handlungsweisen für Sie und besonders für Ihre Gesundheit förderlich sind. Kommen Sie dagegen zu dem Schluss, dass Sie keinen Mustern folgen, dann testen Sie sich bitte einmal selbst.
Verschränken Sie dazu Ihre Arme vor der Brust. Welcher Arm liegt oben? Wechseln Sie die Position, und beachten Sie, wie sich die neue Stellung anfühlt. Sicherlich ist diese Haltung für Sie ungewohnt. Sie empfinden Sie vielleicht als unangenehm oder sogar als unbequem. Offensichtlich fällt es Ihnen nicht leicht, sich von einem gängigen Muster zu lösen.
Es liegt in der Natur des Menschen, dass ein und dieselbe Sache, über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholt, zu einem völlig unbewussten Verhaltensmuster führt. Die Handlung prägt sich mit jeder weiteren Wiederholung immer tiefer ein. Es entsteht ein Handlungsprinzip, dem man unbewusst folgt. In irgendeiner Form ist jeder Mensch ein »Wiederholungstäter«.
Der Mensch erlernt sein Verhalten nicht nur durch die Selbsterfahrung, sondern es wird ihm auch bereits seit der frühesten Kindheit anerzogen. »Lass das sein« oder »Mach das so« sind Befehle, denen man sich unterwirft. Im Laufe der Zeit automatisieren sich dann diese Handlungen. Eine dritte Art, Verhalten zu erlernen, ist das Abschauen.
Dabei kopiert man Handlungen ganz einfach von einem Vorbild. Der Sinn und Zweck der Handlung wird auf diesem Weg zum Ziel oft nicht reflektiert. Bisher hat es schließlich immer funktioniert. Ob eine Veränderung vielleicht eine Erleichterung bringt und eine Hilfe ist, hinterfragt man dabei häufig nicht.
In allen drei Varianten richtet sich der Körper auf die Position ein, die sich dem Geist eingeprägt hat. Selbst wenn sich herausstellt, dass dies Fehlhaltungen sind und Probleme mit sich bringt, dominiert der Geist das Verhalten des Körpers.
Um diese programmierte Stellung einzunehmen, ist der Körper zu vielem bereit. Bänder werden verkürzt oder überdehnt und leiern aus. Knochen werden deformiert sowie Eingeweide und Nerven gequetscht, damit der Körper den Bestimmungen des Geistes entspricht.
Dieses krank machende und selbstzerstörerisch anmutende Verhalten scheint auf den ersten Blick nicht der Realität zu entsprechen. Wenn Sie sich aber klarmachen, dass eine ganze Berufsgruppe größtenteils damit beschäftigt ist, verinnerlichte Verhaltensstrukturen wieder »geradezubiegen«, bestätigt sich diese Theorie. Die Praxen der Krankengymnasten sind voll von Menschen, deren Körperstrukturen sich durch Fehlhaltungen krankhaft und auch schmerzhaft verändert haben.
Die Risiken und Nebenwirkungen dieser Handlungsweise sind nicht zu unterschätzen. Nicht nur im gesundheitlichen Bereich gilt, dass in gleichem Maße, in dem die Routine wächst, die Wachsamkeit und die Aufmerksamkeit nachlassen.
Verbesserungswürdige Zustände werden nicht erkannt, und man reagiert nicht darauf. Man behält die »alte Schiene« bei. Die festgefahrenen Verhaltensstrukturen führen zu schematischen Handlungen nach den altbewährten Abläufen und verhindern so den Blick über den Horizont.
Man schränkt sich selbst ein.
Vor allem bei chronischen Erkrankungen müssen Sie bestimmte Muster erst einmal loslassen. Reden Sie sich nicht ein, dass man nichts mehr tun kann. Man kann vielleicht nichts mehr für Sie tun, aber Sie selbst können etwas für sich tun. Nehmen Sie sich die geistige Freiheit, an eine Aktivierung Ihrer Selbstheilungspotenziale zu glauben, und geben Sie sich die Zeit, die Sie brauchen.
Trotz aller negativen Aspekte, die Verhaltensmuster haben, besitzen sie einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: die Routine. Bestimmte Tätigkeiten werden bis zur Perfektion beherrscht. Man muss nicht mehr darüber nachdenken, wie etwas zu tun ist, man weiß es einfach. Diese Sicherheit im eigenen Handeln ist ein wichtiger Pfeiler im täglichen Leben. Man will schließlich nicht Tag für Tag »das Rad neu erfinden«.
Die Gewohnheit steht am Ende des Lernprozesses. Der Geist ist konditioniert und setzt die Wirkmechanismen automatisch in Gang. Patienten reagieren nicht so stark auf den Wirkstoff in Medikamenten, sondern ihre geistige Einstellung ändert sich. Die Sicherheit, dass durch ein Medikament Hilfe kommt, genügt bereits, und diese Einstellung löst in vielen Fällen denselben Effekt aus wie ein Medikament.
Der menschliche Geist reagiert auf Rituale. Ihm hat sich eingeprägt, dass bestimmte rituelle Handlungen, wie beispielsweise die regelmäßige Einnahme eines Medikaments, Wirkung zeigen. Die identische Form eines Placebos, d. h. die gleiche Verpackung und das gleiche Aussehen, genügen, und der Patient glaubt an seine Heilung.
Aus diesem Grund tragen Mediziner weiße Kittel, denn ihre Arbeitspraxis erfordert diese Farbe nicht. Aber die Patienten vertrauen diesem festen Ritual. Was würden Sie von einem Internisten halten, der in Hawaiihemd und Jeans vor Ihnen stünde? Sie haben Ihr ganzes Leben bewusst oder unbewusst gelernt und erfahren, dass Menschen, die Ihnen helfen, gesund zu werden, weiße Bekleidung tragen. Kleinen Kindern fehlt diese Erfahrung, und sie würden einen Arzt bestimmt lieber in ganz normaler Kleidung sehen.
Placebos sind Medikamente ohne pharmazeutischen Wirkstoff. Der Patient vertraut ihrer Wirksamkeit, und aus dieser subjektiven Einstellung erschafft der Körper objektiv messbare Resultate. Der Begriff »Placebo« ist immer noch negativ besetzt, denn er wird oft in Zusammenhang mit Scharlatanerie oder medizinischem Humbug gebracht. Doch wieso eigentlich? Wenn Sie erkranken, ist dann der Heilungsweg wichtig? Nicht vielmehr der Erfolg der Therapie?
Spricht ein Patient auf eine Kochsalzlösung in einer Spritze genauso gut an wie auf ein in einer Infusion verabreichtes Medikament oder reagieren Sie auf eine Tablette mit Traubenzucker wie auf eine Pille mit chemischen Inhaltsstoffen – was ist daran schlecht? Besonders bei chronischen Erkrankungen gilt die einfache Regel: Wer »heilt« oder wer zu heilen hilft, hat recht.
Machen Sie sich bewusst, dass Sie – wie jeder Mensch – genau das umgangssprachliche
Gewohnheitstier sind. Aber verlieren Sie im Hinblick auf Ihre Gesundheit nicht die Wachsamkeit. Der Mensch gewöhnt sich sehr schnell daran, kleinere Defizite und Unzulänglichkeiten in Kauf zu nehmen und sie als normal zu akzeptieren.
Immer wieder höre ich Sätze wie: »Ich habe immer Rückenschmerzen und dauerhaft Kopfschmerzen, aber das ist normal für mich.« Doch das ist gerade nicht normal. Der Körper ist nicht darauf ausgerichtet, zu schmerzen. Der Normalzustand ist ein schmerzfreier Körper.
Unachtsamkeit und Ignoranz sind der Nährboden, auf dem sich Probleme aus allen Lebensbereichen ideal entwickeln können.
Jede – auch die schwerste – Krankheit hat einmal klein, unscheinbar und relativ harmlos begonnen und konnte nur durch fehlende Aufmerksamkeit zu einer schweren Erkrankung werden. Auch eine Lungenentzündung kam irgendwann einmal als kleiner Husten zur Welt.
Plane das Schwierige,
solange es noch einfach ist.
Tue das Große, solange es noch klein ist.
Denn die schwierigsten Dinge dieser Welt
fangen stets einfach,
und die großen Dinge fangen stets
klein an.«
Laotse
Ihr Frank Seefelder