Heilpflanze Holunder.
von Marianne Rattay -
Frau Holles Baum.
„Wenn der weiße Flieder wieder blüht“... bei diesem Liedtext haben die meisten den orientalischen Flieder vor Augen. Gemeint ist jedoch der Holunder mit seinen rahmweißen, duftenden Blüten. Sie symbolisieren den Schnee aus Frau Holles Federbetten - eine durch und durch heilkräftige Pflanze.
Es gibt einen alten schlesischen Brauch aus dem 17.Jahrhundert: Bevor man einen Zweig vom Holunder abbricht, soll man sich niederknien und den Strauch bitten:“ Frau Ellhorn, gib mir von deinem Holz, so will ich dir von meinem geben, wenn es wächst im Wald“
Der Holunder (sambucus nigra) gehört zur Familie der Geißblattgewächse. Er hat noch zwei heimische Verwandte: den Attich und den roten Hirschholunder, wovon der Attich auf jeden Fall giftig ist. Von den Beeren des roten Holunders kann man ein schmackhaftes Gelee bereiten, wenn man vorher die Kerne entfernt.
Die Pflanze ist auch als „Flieder“ bekannt, was im Mittelniederdeutschen des 16. Jahrhunderts ausschließlich dem Holunder vorbehalten war. Der wohl duftende Strauch, der heute in unseren Gärten als Flieder wächst, ist erst vor wenigen hundert Jahren aus dem Orient dort angesiedelt worden und hieß daher am Anfang türkischer oder spanischer Flieder, um ihn vom eigentlichen Flieder, dem Holunder zu unterscheiden. Weitere Namen sind Holler. Fieberbaum, Ellhorn und Allhorn.
Eine heilige Heilpflanze
Der Holunder gehört zu den alten Zauber- und Schutzpflanzen. In ihm wohnt Frau Holle, das ist die Erdmutter in ihrem Aspekt als „weise Alte“ auch Hulda oder Hel (die Göttin der Unterwelt) genannt.
Bis heute weiß man in ländlichen Gegenden, dass man vor dem Holunder den Hut ziehen soll und ihn auf keinen Fall fällen darf, denn das bringt Unglück.
Wegen seiner Schutzwirkung pflanzte man den Strauch in der Nähe des Anwesens, am besten hinter dem Haus am besten beim Kompost, damit dieser gut gedieh.
Das Fest zu Ehren der Hulda oder Hel ist das heute wieder hoch im Kurs stehende Halloween (Allerheiligen).Die Opferzeremonien zu Ehren Frau Holles an Quellen und Bäumen wurden in christlicher Zeit verboten. Sie sind uns nur noch aus Sagen, Märchen und Brauchtums Überlieferungen erhalten.
Wer kennt nicht das Märchen von der Gold- und der Pech Marie, die sich beim Spinnen in den Finger stachen, danach in den Brunnen fielen, die Apfelbäume schüttelten, das Brot aus dem Ofen zogen und schließlich die Betten der Frau Holle aufschüttelten, sodass es auf Erden kräftig schneite.
Diejenige, die alles gut erledigte wurde mit Gold belohnt, die Faule wurde mit Pech überschüttet, was eine Metapher dafür ist, dass eine gut eingebrachte Ernte im Herbst für Nahrung, Wärme und Wohlstand im Winter sorgt.
Das Märchen erzählt viel über die Güte der Mutter Erde. Der Name Holle ist mit dem Wort huldvoll verwandt - die Göttin gibt denen den Segen (die Hulde /Gnade), die ihre Geschöpfe ehren. Ihr ursprünglicher germanischer Name Hel bedeutet die Strahlende und tatsächlich leuchten die Blüten des Holunders weithin im frühen Juni. So lässt es Frau Holle selbst in den wonnigen Monaten Mai und Juni schneien.
Wenn dann im Winter die richtigen Schneeflocken fallen, hat sie uns mit dem ihr geweihten Baum eine wundervolle Heilpflanze geschenkt, die in allen Teilen verwendbar ist und besonders gegen Beschwerden, die die kalte Jahreszeit so bringt, sehr hilfreich ist. Man nennt ihn ehrfurchtsvoll „die Medizinkiste des Landes“.
Allerdings sollte man wie die Gold Marie rechtzeitig diese Schätze gesammelt haben. Die Blüten ergeben einen wunderbaren Fiebertee. Bei fieberhaften Infekten der Atemwege trinkt man den Aufguss (wahlweise mit Honig gesüßt) heiß im Bett, um danach kräftig zu schwitzen.
Ein mit Holunder Blüten gefülltes Säckchen hilft als Auflage gegen Kopf und Zahnschmerzen. Im Mittelalter brannte man Holunder Blütenwasser gegen Geschwulste, Wassersucht sowie Leber und Milzleiden.
Die Beeren sind wegen des hohen Vitamingehaltes ein Mittel zur Stärkung der Abwehrkräfte, der frische Saft soll bei Rheuma und Ischias helfen.
Achtung: Frisch verzehrt können die Beeren wegen des Glykosid Gehaltes in den Kernen Übelkeit und Erbrechen hervorrufen.
Der Absud aus Wurzel und Rinde wirkt harntreibend und entfernt so Wasseransammlungen im Körper.
Folgende Anwendung wird von Kräuterbuch zu Kräuterbuch weitergegeben:
Schält man die Rinde von oben nach unten, ist es ein Abführmittel, von unten nach oben ein Brechmittel. Ob das stimmt? Wer will das ausprobieren? Die Blätter wirken ebenfalls harntreibend.
Rinde, Wurzel und Blätter sollte man eher vorsichtig dosieren, während man die Blüten und Beeren und auch die Beeren des roten Holunders wunderbar in der Küche zu mannigfaltigen köstlichen Gerichten und Getränken verarbeiten kann.
Im kommenden Artikel gibt es einige gute Holunder Rezepte.
Herzlichst Marianne Rattay