Spiritualität: Rache, Hass oder Verzeihen lernen.
von Martinus -
Rache und Hass.
Eine rache- oder strafbetonte Vergeltung kann nicht den Charakter oder die Wesensart des Menschen ändern. Im Gegenteil, man bildet damit noch schlimmere Feinde der Gesellschaft aus. Was hier im Hinblick auf physische Naturgesetze gilt, das gilt in ebenso hohem Maß für geistige Gesetze.
Es ist ein ganz anderer mentaler „Stoff“ als Krieg, Haß, Rache und Strafe, der benutzt werden muss, nämlich die Nächstenliebe. Eine rache- oder strafbetonte Vergeltung kann den Charakter oder die Wesensart der Menschen nicht ändern. Im besten Fall kann man mit Macht und Strafe und Hinrichtungen gewissen Menschen eine solche Angst vor der Strafe einflößen, dass sie es aufgrund dieser Angst bis zu einem gewissen Grad unterlassen, ihre angeborene „verbrecherische“ Wesensart zu entfalten.
Aber deshalb hat sich absolut nichts an ihrem Charakter geändert. Wenn es plötzlich keine Strafe mehr gäbe, würden sie ihre für andere Menschen schädliche Wesensart sofort wieder entfalten. Sie sind nur als eine Art dressierte Wesen zu betrachten, die wie Tiere gezwungen werden können, Dinge zu tun, die völlig gegen ihre Natur sind. Eine Gesellschaft, deren Bürger es nur aufgrund der Angst vor Hinrichtung, Gefängnis oder anderen Strafen unterlassen, einander zu schaden, ist keine Kulturgesellschaft in der menschlichen Bedeutung dieses Wortes.
Aber wie können die Menschen denn eine wirkliche Kulturgesellschaft schaffen? Es wird ja noch lange Zeit Menschen auf der Erde geben, die so primitiv sind, dass sie eine Beeinträchtigung der gesunden und natürlichen Entwicklung der Gesellschaft sein werden, weil sie kein Verständnis für die Aufgaben und die Verantwortung haben, die dem einzelnen Bürger natürlicherweise obliegen.
Wenn man lernt, das Leben aus der Perspektive der kosmischen Logik zu sehen, wird man verstehen, dass man diese primitiven und unwissenden Menschen nicht ausrotten kann, die wahrscheinlich ihre erste oder eine ihrer ersten Inkarnationen innerhalb des Bereichs der Zivilisation erleben und vorher nur an die Formen von Recht und Gesetz der Naturvölker gewöhnt waren.
Der kosmisch unwissende Mensch glaubt, dass man, wenn diese Menschen getötet wurden, mit ihnen fertig ist, was aber gerade ein Zeichen der lokalen Logik ist. Die Wesen hören nicht damit auf, „Verbrecher“ zu sein, weil sie ihren physischen Organismus verlassen. Ihre „Verbrechermentalität“ ist in der ersten Sphäre der geistigen Welt ebenso lebendig, wie sie es auf der physischen Ebene war.
Und auf der psychischen Ebene kommen die primitiven Menschen mit Gleichgesinnten zusammen, mit denen sie sich auf einer Wellenlänge befinden. Sie bilden zusammen eine Sphäre von primitiver, boshafter Mentalität, eine Ansammlung von dem, was man mit einem altmodischen Ausdruck als „böse Geister“ bezeichnen kann, die die Möglichkeit haben, auf solche physischen Wesen einzuwirken, die eine ähnliche Mentalität haben und die sich leicht zu Handlungen „inspirieren“ lassen, die für die gesetzestreuen Bürger ebenso gefährlich sind, wie die der hingerichteten „Verbrecher“ es waren.
Rache und Strafe können nur neue Rache und neue Strafe erzeugen. Die bestraften Wesen wollen sich rächen und wollen die Gesellschaft „bestrafen“, deren Gesetze zu begreifen und sich ihnen unterzuordnen sie noch nicht imstande sind. Wenn sie wieder in der physischen Welt inkarnieren, sind sie immer noch auf der verkehrten Seite des Gesetzes, und sie haben in ihren Talentkernen Erfahrungen aus früheren Inkarnationen, die sie vielleicht noch cleverer und gefährlicher machen, weil sie die Fähigkeit haben, ihre Aktivitäten auf eine solche Weise zu tarnen, dass es noch schwerer wird, mit ihnen fertig zu werden als früher.
Man sollte innerhalb der Reihen juristischer Spezialisten wissen, dass man mit seinen Urteilen und Strafen oft noch schlimmere Feinde der Gesellschaft geradezu ausbildet, als man vorher hatte.
Eine menschliche Kultur kann nur auf der Basis von Nächstenliebe geschaffen werden
Will man eine wirklich menschliche Kultur schaffen, so muss man wegkommen von dem Irrtum, dass Hinrichtungen und Strafe die Mittel sind, auf die eine solche Kultur gegründet werden kann. Natürlich muss sich die Gesellschaft vor gefährlichen und asozialen Individuen schützen, aber der Schutz darf nicht aus Töten und Strafen bestehen.
In einigen humaneren Gesellschaften auf der Erde hat man begonnen, mit Methoden zu experimentieren, die in Zukunft die alten Rechtsmethoden vollständig ablösen werden. Man ist gezwungen, den asozialen Menschen das Recht zu nehmen, sich frei zwischen den anderen Bürgern der Gesellschaft zu bewegen.
Aber diese Freiheitsberaubung darf keine entehrende Gefangenschaft sein, sie soll eine Eingliederung in eine innerhalb des Staates für diese Art von Wesen vorhandene Gesellschaft sein. Hier werden sie das Recht haben, Kulturgüter zu erleben; sie werden nicht als Verbrecher angesehen werden, sondern als Lernende in Sachen Kultur und Umgang mit Freiheit.
Sie werden in Kontakt mit Lehrern kommen, die sie als Mitmenschen behandeln und nicht als „Verbrecher“ und Gefangene. Viele dieser Lehrer sind selbst einmal auf die ,,schiefe Bahn“ geraten, sind jedoch durch ihr Schicksal auf die Erfahrung und die Liebe im Leben gestoßen, die sie zu genialen Pädagogen auf genau diesem Gebiet gemacht haben.
Durch diesen Unterricht werden die Schüler nach und nach imstande sein, sich der Gesellschaft außerhalb anzupassen, und sie werden vielleicht gerade durch die Erfahrungen, die sie nun gemacht haben, nützliche Mitarbeiter bei der Schaffung einer menschlichen Kultur werden.
Herzlichst
Martinus
Bearbeitet von Mogens Møller, gutgeheißen von Martinus.
Zum ersten Mal im dänischen Kosmos Nr. 7, 1974 mit dem Titel: "Hvorledes får man kræfter til at tilgive?" erschienen.
Übersetzung: Christa Rickus
© Martinus Institut 1981 www.martinus.dk