„Wege ins Glück“ - Interview mit Dr. Franz Alt
von Wolfgang Maiworm
anlässlich des Kongresses „Wege ins Glück“ am 12./13. April 2014
im „Haus der Begegnung“ in Königstein im Taunus
Wolfgang Maiworm:
Lieber Herr Dr. Alt, wie bewerten Sie nach der neuen Regierungsbildung das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen und wie sehen speziell Ihre Erwartungen an den neuen Superminister Sigmar Gabriel aus?
Franz Alt:
Die neue Bundesregierung versucht die Energiewende auszubremsen. Die Bürgerinnen und Bürger sind weiter als ihre Regierung. 90% des jetzt in Deutschland produzierten Ökostroms werden von Bürger- Energiegenossenschaften, von Bauern, Hausbesitzern, Mittelständlern, Handwerkern und Stadtwerken gewonnen. Ich hoffe, dass wenigstens die sieben Bundesländer, in denen die Grünen mitregieren, über den Bundesrat den schlimmsten Kahlschlag bei den Erneuerbaren noch verhindern. Die Probleme des Klimawandels sind so gravierend und werden so teuer, dass wir uns eine Verlangsamung der Energiewende auch ökonomisch gar nicht leisten können. Wir brauchen eher eine ultimative Beschleunigung. Zur Finanzierung könnte ein Zukunftsfonds beitragen, so wie ihn Ilse Aigner und Klaus Töpfer vorgeschlagen haben. Künftige Generationen haben durch die heutige Energiewende große finanzielle Vorteile, also können sie sich auch an den Kosten beteiligen. Energiewende kostet, aber keine Energiewende kostet die Zukunft.
Wolfgang Maiworm:
Sicherlich ist das Energie-Erneuerungs-Gesetz (EEG) eines der wichtigsten Gesetze im Zusammenhang mit der Energiewende. Was wünschen Sie sich von einer Reform des EEG am dringendsten?
Franz Alt:
Das Schlimmste ist, dass das bisher so erfolgreiche EEG totgeredet wird. Kürzungen mit einem Tempo wie bisher wären für Investoren verkraftbar und planbar, doch der jetzt angedachte Kahlschlag wird Zehntausende Arbeitsplätze kosten. Und das hat ausgerechnet der Wirtschaftsminister zu verantworten. Nur die Länder können den Kohleminister noch bremsen.
Solar- und Windstrom werden dank des EEG immer preiswerter. Deshalb schlage ich vor, den bisherigen Weg einer Kürzung der Einspeise-Vergütung mit Augenmaß weiterzugehen.
Wolfgang Maiworm:
Es ist doch eine Tatsache, dass die Kohlekraft in Deutschland so stark ist wie in den letzten 20 Jahren nicht mehr. Da interessiert uns doch, wie Sie die Chancen der Erneuerbaren Energien in Konkurrenz zu den traditionellen und etablierten Energieformen einschätzen?
Franz Alt:
Seit dem Jahr 2.000 haben die Erneuerbaren im Strombereich pro Jahr um etwa zwei Prozent zugelegt. Das war ein angemessenes Tempo, um die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen. Schon 2013 ging das Wachstum dann bereits auf 0.6% zurück und es wird weiter fallen, wenn die Bundesregierung das umsetzt, was jetzt beschlossen wurde. Nur die Länder und engagierte Bürgerinnen und Bürger können erreichen, dass das bisherige Wachstum wieder zustande kommt. Es besteht die Gefahr, dass der Kohle-Erzengel Gabriel aus der Energiewende eine Kohlewende macht.
Wolfgang Maiworm:
Seit langem sind die Branchen rund um die Erneuerbaren Energien zu einem bedeutenden weltweiten Wirtschaftszweig geworden. Deutschland nahm dabei stets eine Vorreiterrolle ein, insbesondere auf dem Feld der Photovoltaik- und Solartechnologie sowie bei der Windkraft. Ist damit zu rechnen, dass sich das in den kommenden vier Jahren ändert und man vielleicht international von anderen Ländern überholt wird?
Franz Alt:
China hat uns schon abgehängt. Dort wachsen die Erneuerbaren schneller als bei uns. Und Japan, Südkorea und Kalifornien erleben zurzeit einen Solarboom im Gegensatz zu Deutschland. Energiewendepionier ist jetzt Dänemark. Dort wurden im letzten Dezember 50% des Stroms aus Windkraft gewonnen. Weltrekord! In Spanien hat 2013 Windkraft die Atomenergie als wichtigste Stromquelle verdrängt. Anderswo entstehen durch die Ökoenergien neue Arbeitsplätze. In Deutschland werden sie gerade vernichtet - und zwar ganz gezielt durch die Bundesregierung. Das müssen wir uns für die nächsten Wahlen gut merken.
Dr. Franz Alt wurde 1938 geboren, er studierte Politische Wissenschaften, Geschichte, Philosophie
und Theologie. Ab 1968 arbeitete er vorwiegend beim Südwestfunk. Einem breiten Publikum wurde
er über das Politmagazin „Report“ bekannt, das er 20 Jahre lang moderierte.
Von 1992 bis 2003 leitete Alt die Zukunftsredaktion des SWR und moderierte in 3Sat die Magazine „Querdenker“ und „Grenzenlos“. 1979 wurde er mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet, doch vor allem für sein ökologisches Engagement erhielt er zahlreiche Ehrungen, so den ersten Deutschen Solarpreis 1994, den Europäischen Solarpreis 1997 und denUmweltpreis der Deutschen Wirtschaft 2004. Elf Bücher hat Franz Alt bislang verfasst, darunter „Die Sonne schickt uns keine Rechnung – Die Energiewende ist möglich" (1995) und „Sonnige Aussichten" (2008). Sein bislang letztes Buch, „Auf der Sonnenseite - Warum uns die Energiewende zu Gewinnern macht“, erschien im März 2013. Auf
seiner Homepage sonnenseite.com gibt Franz Alt zudem einen Überblick über Themen wie erneuerbare Energien, solares Bauen, Klimawandel und Klimapolitik. Neben seinem Einsatz für einen ökologischen Wandel frönt Alt noch einer anderen Leidenschaft: Seit 40 Jahren tritt er unter dem Pseudonym Francesco Altini als Hobbyzauberer auf.
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