Seelische und spirituelle Prozesse -
transpersonale Perspektive in der Psychotherapie.
von Dr. Sylvester Walch -
Durchbruch zum Menschsein -
1 Die transpersonale Perspektive in der Psychotherapie.
Abraham Maslow (vgl. 1973 und 1984), dessen „Psychologie des Seins“ und einen entscheidenden Einfluss auf das Entstehen der transpersonalen Psychologie hatte, untersuchte Menschen, die er als selbstverwirklicht einstufte und die von sogenannten peak experiences, also Gipfelerlebnissen, berichteten. Dabei kam er zu der Auffassung, dass jedem Menschen ein Bedürfnis nach Selbstverwirklichung – von ihm S- oder Seinsbedürfnis genannt - innewohnt.
Dieses ist nicht auf das persönliche Glück bezogen, wie es häufig missverstanden wird, sondern zielt mehr in Richtung Gemeinwohl. Maslow fand bei selbstverwirklichten Menschen heraus, dass bei ihnen Werte wie Menschlichkeit, Lebendigkeit, Wahrhaftigkeit, Offenheit, Güte und Ganzheit von zentraler Bedeutung sind.
Darüber hinaus berichteten sie von Zuständen spontan erweiterten Bewusstseins, Energie- und Lichtphänomenen sowie dem Erleben transzendenter Verbundenheit, ähnlich den von Mystikern beschriebenen Einheitserfahrungen.
Ferner hat Grof (vgl. 1985, 1986, 1987 u. 1993) durch seine Arbeiten entdeckt, dass das Bewusstsein unter bestimmten Bedingungen in der Lage ist, „… die gewöhnlichen Grenzen des Körper-Ichs sowie die Beschränkungen von Raum und Zeit" zu überschreiten.
Um diese Phänomene einzuordnen und von psychopathologischen Deutungen abzuheben wurde der Begriff „transpersonal“ eingeführt.
Für die transpersonale Psychologie ist der Mensch mehr als nur Persönlichkeit, Lebensgeschichte oder ein Ensemble von Rollen. Sie sieht ihn getragen von etwas Größerem und durchdrungen von dem grenzenlosen Einen.
Diese universale Dimension des Seins kann jedoch nur durch persönliche Erfahrung berührt werden. Wer erkennen will, wer er wirklich ist, muss die Tür nach innen aufstoßen. Für viele Mystiker ist der Weg nach innen der längste Weg, den es zu gehen gilt. Es ist ein steiniger Weg, der uns Einiges abverlangt, denn es gilt zunächst, die vererbten und sozialisierten Fühl-Denkschemata (vgl. Ciompi, 1999) aufzubrechen, um das Umgreifende und das Dahinterliegende zu erspüren.
Dabei können uns auch Techniken weiterhelfen, die veränderte Bewusstseinszustände hervorrufen. William James (1982, S. 366), der Begründer der Religionspsychologie, hat deren Nutzen schon lange vor dem Entstehen der transpersonalen Psychologie erkannt: “… der alltägliche Wachbewusstseinszustand, das rational - empirische Bewusstsein, … ist nur ein besonderer Typ von Bewusstsein.., während überall jenseits seiner, von ihm durch den dünnsten Schirm getrennt, mögliche Bewusstseinsformen sind, die ganz andersartig sind … und unser Sein tief beleben können“.
Das holotrope Atmen, von Stanislav Grof (a. a. O.) begründet, führt uns durch diesen Schirm hindurch, um Einblicke in tiefere Schichten der Existenz zu gewinnen und für die Wirksamkeit der inneren Weisheit empfänglicher zu sein.
In den letzten 25 Jahren durfte ich viele Menschen mit Hilfe dieser Methode, in der beschleunigtes Atmen, erlebnisfördernde Musik und prozessorientierte Körperarbeit im Mittelpunkt stehen, begleiten. In „Dimensionen der menschlichen Seele“ (vgl. 2012) habe ich das Konzept, die praktische Durchführung und Erfahrungsdimensionen dieses Praxisweges der transpersonalen Psychologie dargelegt, der sich für die Integration von psychodynamischen und spirituellen Prozessen ganz besonders eignet.
Das Spektrum der Erfahrungen kann lebensgeschichtliche Themen, perinatale Zustände, Erlebnisse, die über die gewöhnlichen Raum- und Zeitgrenzen hinausgehen sowie spirituelle Erfahrungen umfassen, je nachdem was für den nächsten Entwicklungsschritt von Bedeutung ist.
Dabei kann es sogar vorkommen, dass wir uns plötzlich außerhalb unseres Körpers erleben, zukünftige Ereignisse vorhersehen, verstorbenen Angehörigen begegnen, in den Bereich der kollektiven Mythen und Archetypen eintauchen, uns in fremden Zeit- und Kulturräumen wiederfinden oder auch mit anderen Lebewesen identifizieren.
Wir erfahren uns unter Umständen sogar nicht mehr als individuiert, sondern vielmehr als durchlässig und transparent, verbunden mit allem, was uns umgibt.
Derartige Erlebnisse haben einerseits eine starke innere Wirkung für die betreffende Person und werden andererseits von Außenstehenden oft äußerst skeptisch aufgenommen. Dies hat damit zu tun, dass die Erfahrung auf eine Außenwelt trifft, die in ihrer weltanschaulichen Voreingenommenheit oft unfähig ist, deren inneres Wesen begreifen zu können.
Wir können nicht Erfahrungen in veränderten Bewusstseinszuständen mit den Kriterien einer szientistisch orientierten Erkenntnistheorie untersuchen. Gefordert ist vielmehr ein hohes Ausmaß an Flexibilität, Einfühlung, Liebe und Achtsamkeit, kurzum eine Einstellung, die sich von Vorurteilen und Ressentiments freimacht. Ganz besonders gilt das für explizit spirituelle Erfahrungen, die oft überwältigend und erlösend wirken.
Hier mehr zum Thema " Transpersonale Psychologie ".
Sylvester Walch verfügt über eine langjährige Meditationspraxis und entwickelte einen kulturübergreifenden spirituellen Weg, in dem seelische Heilung und geistige Praxis verbunden werden.
Er ist Gesamtleiter des Weiterbildungscurriculums „Transpersonale Psychotherapie und Holotropes Atmen“.
Ihr
Sylvester Walch