Kinder als Belastung und häusliche Gewalt
Ein spiritueller Reisebericht über meine ehrenamtliche Arbeit mit Straßenkindern in Nicaragua
von Oliver Unger
4. Woche
In vielen Familien ist der Vater gänzlich nicht mehr vorhanden. Entweder ist er im Krieg gefallen, Opfer von Gewalt oder Drogenkonsum oder auf andere Art und Weise verstorben. Häufig hat er sich auch eine andere Frau gesucht und eine neue Familie gegründet. Die zurückgebliebenen Frauen haben meist neue Partner. Aufgrund der Häufigkeit dieser Partnerwechsel entsteht eine Gesellschaft mit vielen Kindern, die fast ausschließlich aus Patchwork-Familien besteht.
Teilweise leben bis zu fünfzehn Menschen aus unterschiedlichen Generationen und Familien unter einem Dach zusammen. Die Behausungen sind ärmlich, sehr häufig ohne festen Fußboden, sondern nur mit Lehm. Die hygienischen Verhältnisse sind zumindest in den ländlicheren Gegenden katastrophal, so dass auch gesundheitliche Risiken bestehen.
Die allgemeinen Lebensumstände, wie ich sie hier versucht habe im Überblick darzustellen, sind die Ursache, wieso es so viele Kinder gibt, die auf der Straße leben. Die gesunde Kernfamilie und der Halt, den sie gibt, fehlt. Zudem scheint die gesamte Gesellschaft wie letargisch, dissoziiert zu sein. Und die Menschen, die es nicht sind, sind neurotisch und ängstlich, ähnlich wie wir.
Spricht man mit einzelnen Straßenkindern, berichten sie von der häuslichen Gewalt. Andere wiederum sind einfach gegangen, weil sie keine Belastung sein wollten. Weitere werden zum Arbeiten geschickt und wieder andere wurden von ihren Eltern verlassen.
Typisch ist hierbei, dass die Eltern in das reichere und stabilere Nachbarland Costa Rica auswandern und ihre Kinder in Nicaragua zurück lassen. Oftmals sehen sie sich nie wieder.
Diese Zustände wirken sicherlich schon seit geraumer Zeit in der nicaraguanischen Bevölkerung und haben sich bereits auch genetisch manifestiert, so dass Lethargie, Hoffnungslosigkeit und der Einfluss unterschiedlicher Traumata von Generation zu Generation weiter vererbt wurden. Ganz abgesehen von den genetischen Dispositionen und neuronalen Folgen verschiedener Krankheiten, wie z.B. Syphilis, die hinzukommen.
Der Beginn der Arbeit
Meine Intention vor Antritt meiner Arbeit war erst einmal, einen Überblick über die „neuronale“ Situation der Jugendlichen zu bekommen. In den ersten Tagen meiner dreimonatigen Reise wohnte ich psychologischen Einzelgesprächen bei. Ich beobachtete, dass die Kollegin sehr direkt nach Ereignissen in der Vergangenheit frug, die für den jeweiligen Jugendlichen sehr traumatisch waren.
Ich spürte die hohe Spannung, unter der ihre Nervensysteme standen und sah die direkten Folgen der geringen psychischem Widerstandskraft der Jugendlichen: Sie dissoziierten (=sie kippten innerlich weg, entfremdeten) und schliefen schon nach wenigen Minuten während des Gesprächs ein.
Die Psychologin versuchte sie wachzuhalten. Oft brach sie die Sitzung ab.
Weitere Erfahrungen zu meinem spirituellen Reisbericht gebe ich Ihnen gerne in der nächsten Woche. Ich freue mich über jede Rückmeldung und jede Frage.
Herzlichst Ihr Oliver Unger
Unterstütze das Buchprojekt „Rohdiamanten“ mit einer Spende (für Lektorat etc.). Der Erlös aus dem Verkauf des fertigen Buches schafft eine regelmäßige Spendengrundlage für die Straßenkinder in der Stadt Granada, Nicaragua. Mehr Information findest Du auf tiefberuehrt.de/page/hilfe-fuer-nicaragua
Es danken Dir im Voraus Oliver Unger, Projekt-Förderer Bernd V., Lektorin Michélle P., Jonathán, Karla, Ana María, Francisco und Freunde aus Granada, Nicaragua