Erwartet hatte ich einen Garten, in dem Tarotkarten in Form von einfachen Skulpturen nachgebildet waren. Na, ja, ist vielleicht ganz nett – schaue ich mir mal an, was das mit Tarot zu tun hat. Ich war dann überwältigt! Tatsächlich war es überraschend und monumental! Meterhohe Skulpturen, größer als Denkmäler, bedeckten den Hügel, der von einer 6 Meter hohen Darstellung des TURMS überragt wurde.
Man steht sofort „mittendrin“: Empfangen wird man vom Wasserfall und Wasserspiel der HOHENPRIESTERIN und sieht darüber den MAGIER, den KAISER und dahinter hoch aufragend den berstenden und transformierenden TURM.
Die AUSGLEICHUNG (hier als GERECHTIGKEIT bezeichnet), sicherlich 4 Meter hoch, wobei die beiden Waagschalen gleichzeitig die Brüste der Figur darstellen, zeigt ihre Macht und die Ohnmacht dessen, der davor steht oder darin gefangen ist.
Daneben führt die zarte Frauengestalt der LUST an unsichtbaren Fäden einen feurigen Drachen hinter sich her – Symbol der verborgenen Kraft und Stärke des Weiblichen in der Beherrschung der männlichen Kraft – möglicherweise ihrer eigenen?
Da fühlte man sich doch richtig leicht beim EREMITEN, in dessen Skulptur – wie bei vielen anderen auch – man sich hineinstellen und die Qualität fühlen konnte. Das GLÜCKSRAD bewegte sich als Wasserspiel innerhalb eines Ensembles von MAGIER und HOHERPRIESTERIN in einer Wasserfalldarstellung.
Das Größte war jedoch die KAISERIN: Die Darstellung einer Frau mit Riesenbrüsten und einer Figur ähnlich wie eine Sphinx, jedoch in zwei Etagen. Diese Figur, die Weiblichkeit und Mütterlichkeit ausdrückte, war bewohnbar! Niki de Saint Phalle, die Schöpferin all dieser Skulpturen, hatte darin tatsächlich gewohnt. Das Innere besteht aus Schlafraum, Küche (mit Kühlschrank und Herd), Bad, Wohnraum und war außen und innen völlig mit Spiegelmosaiksteinen ausgekleidet. Die Energien können anscheinend nirgendwohin und ballen sich innerhalb dieses Raums zu einer hochenergetischen Masse. Darin hat die Künstlerin gewohnt? Das können wohl nur ganz bestimmte Menschen aushalten…
Die gesamte Anlage überrascht immer wieder mit neuen Ansichten. Mitten in einer grünen Nische stand plötzlich der bunte TEUFEL – mit freundlichem Ausdruck und ausgeprägten weiblichen Brüsten. Er schaut auf den STERN – eine Figur mit ständig fließendem Wasser aus den Kelchen. Im Wald picknickten lebenslustig die LIEBENDEN.
Es ist eine Anlage, die in ein paar Stunden zwar besichtigt aber nicht erfasst werden kann – weitere Besuche sollten folgen. Leider ist es nicht so nah – Capalbio in der südlichen Toskana liegt nicht gerade auf dem Weg, ist aber jeden Weg wert!
Il Giardino dei Tarocchi der Künstlerin Niki de Saint Phalle ist wirklich eine Erfahrungsreise wert! Auch für alle, die nicht unbedingt Tarot-Experten sind – alleine schon immer wieder die Deutlichkeit der Kraft in opulenter und praller Ausführlichkeit des Urweiblichen ist sehens- und bemerkenswert.
Ein Film bei Youtube gibt einen einfühlsamer Eindruck:
https://www.youtube.com/watch?v=cbaP3FzOavE&feature=related
https://www.youtube.com/watch?v=cbaP3FzOavE&feature=related