Kennen Sie auch solche Menschen? Die von der Sorte, die völlig unbekümmert durch ihr Leben laufen, als gäbe es kein Morgen? Die sich nicht um Vorsorge kümmern und irgendwie davon ausgehen, dass sie wahrscheinlich ohnehin nicht alt werden, weil sie vorher sterben? Genau die Menschen, die dann verantwortungslos als Schmarotzer unserer Gesellschaft uns, ja uns auf der Tasche liegen! Und wir müssen für sie zahlen, nur weil die zu doof waren, sich rechtzeitig um einen finanzielle Absicherung zu kümmern!
Bestimmt kennen sie diese Zeitgenossen. Oder sie kennen jemanden, der diese Menschen so sieht. Und jetzt frage ich sie: Wenn einem so jemand begegnet, soll man dem helfen? Mal ehrlich: Soll man einem Menschen helfen, der sich sein Leben lang nicht darum gekümmert hat, was aus ihm im Alter wird?
Meine Antwort ist: Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, was „man soll“ oder was „man nicht soll“. Ich kann Ihnen dazu nur sagen, was ich denke.
Ich denke, dass wir Menschen alle in einem Boot sitzen. Dass wir uns entschieden haben, zu etwa der gleichen Zeit auf demselben Planeten herumzuspazieren und unsere schauspielerisch ausgereiften Leben zu leben. Ich glaube, dass wir eines Tages wieder erkennen werden, dass es zwischen dem kleinen hungernden Kind und mir keinen Unterschied gibt. Dass sein Hunger mein Hunger ist. Dass, genauer gesagt, sein Hunger zumindest zu einem bestimmten Teil aus meiner Geisteshaltung resultiert. Dass sein Hunger damit zu tun hat, dass ich hier im Überfluss lebe und viele Dinge tue oder konsumiere, von denen ich weiß, dass sie auf Kosten anderer gehen. Und ich glaube auch, dass der Himmel auf Erden davon abhängt, inwiefern ich dazu geneigt bin, mich zu verändern. Was damit beginnen kann, dass ich damit anfange, das Leben dieses hungernden Kindes zu verändern. Und damit meines.
Wir leben hier in einem Land bzw. Ländern, in denen wir höchst selten hungernde Kinder zu sehen bekommen. Und wenn wir eines sehen, dann schauen wir gerne weg. Aber wissen Sie was, reden wir nicht immer von diesem unschönen Thema hungernde Kinder. Reden wir lieber wieder von diesen Menschen, die sich um nichts scheren und deren Karren wir am Ende aus dem Dreck ziehen sollen. So einer ist mir heute nämlich begegnet. Also indirekt.
Mein Facebookfreund Peter hat angefragt, ob man einem Freund von ihm helfen könnte, irgendwie. Eigentlich hatte er um Rat gefragt. Er, ein ehemaliger Journalist, wollte gerne seinem ehemaligen Journalistenkollegen helfen, der fast sein Leben lang versäumt hat, sich als Freiberuflicher um die finanzielle Altersvorsorge zu kümmern. Sodass er mit einer Rente von 300 Euro endete. Was laut seiner Aussage in Deutschland zum Leben zu wenig und zum Sterben zu wenig war. Da er aber eben nicht von Sozialhilfe leben wollte, ist er nach Paraguay ausgewandert. Da konnte er von 300 Euro leben. Fragen Sie mich nicht wie. Unglücklicherweise steht nun aber heute der Euro wesentlich schlechter da als noch vor ein paar Monaten. Was uns hier nicht weiter juckt (noch nicht). Aber wenn aus 300 Euro plötzlich 220 Euro werden, merkt ein einzelner Mensch, der sparen muss, das schon. Vor allem, wenn er mit 76 Jahren auf Medikamente angewiesen ist. Peter wollte nun wissen, ob es Möglichkeiten gäbe, seinem Freund irgendwie zu helfen. Und wurde nach einer Weile ein wenig ungehalten, weil dieses seltsame Pseudonetzwerk eben nichts weiter als oberflächlich sei. Einmal mehr eine menschliche, subjektive Bewertung, die nur einen Teil sieht, aber nicht das Ganze. Ich hatte nämlich sehr wohl Lust, diesem älteren Herren zu helfen. Und etwa 15 Minuten, nachdem ich das auf meiner Facebookseite geteilt hatte, waren schon zwei meiner Freunde dazu bereit, auch spontan einen Geldbetrag zu spenden.
Wie, was? Völlig plemplem jetzt? Einem Fremden Geld schicken, der sich jahrzehntelang unverantwortlich verhalten hat und den ich nicht mal kenne? Hallo? Geht’s noch?
Klar geht’s. Weil ich an das denke, was ich versuche zu leben und woran ich Menschen immer wieder gerne erinnere: Lebe im Hier und Jetzt! Da begegnet mir nun einer dieser Menschen, die für ihre Leidenschaft, also ihren Beruf, in Kauf genommen habe, wenig Geld zu verdienen und an den Moment, aber nicht das Morgen dachten. Und nun würde ich diesem Menschen die kalte Schulter zeigen? Ihn verurteilen dafür, dass er nicht brav-deutsch „vorgesorgt“ hat? Was, wenn er sich mit meinem Geld nur Schnaps kauft? Was, wenn alles ein Nepp ist und ich hier verarscht werde? Wissen Sie, was diese Gedanken mit mir machen? Ich lächle. Denn sogar wenn ich „über den Tisch gezogen würde“ (was ich nicht werde, das weiß mein Gefühl genau), was würde das dann bedeuten? Es würde bedeuten, dass ein anderer Mensch so tief verletzt ist und im Mangel feststeckt, dass er dazu bereit ist, andere anzulügen, um an Geld zu kommen. Wer so verzweifelt ist, braucht wohl eher Mitgefühl als Verdammung.
Eine naive Weltsicht?
Das mag sein. Ich kann Ihnen aber, pst, eines verraten:
Ich bin glücklich. Mir geht es gut. Mitsamt meiner „naiven“ Sicht der Dinge und der Menschen. Ich liebe es, Menschen so zu sehen. Und ich vertraue meinem Gefühl - das mir schon auch mal sagt: „Nein, gib diesem Menschen nichts, das wäre jetzt nicht gut für ihn.“ Mir geht es absolut super mit meiner Philosophie.
Und wie geht es Ihnen? Wie wohl fühlen Sie sich damit, wie Sie Menschen sehen und Situationen beurteilen, vielleicht verurteilen? Machen Ihr Denken und Ihre Sicht Sie glücklich? Oder sind Sie verärgert, enttäuscht, wütend, erbost? Das fände ich sehr schade. Denn letztlich machen Sie damit nur einen Menschen unglücklich, und das sind Sie selbst.
Es ist ein großer, großer Trugschluss, dass ich nie in eine Notsituation kommen könnte, weil ich fünf Bausparer und drei Lebensversicherungen besitze. Ein einziger Börsencrash à la 1929 bläst diese Illusion davon wie der Wind ein Baumblatt. Was Bestand hat, ist die Liebe. Sie ist es, die uns sicher durch das Leben trägt. Seinen Verstand zu nutzen und vorzusorgen, das ist etwas Nützliches. Und doch glaube ich, dass die beste Lebensversicherung immer noch die ist, Menschen in Not heute zu helfen. Denn damit säe ich Samen der Güte in die Erde. Und Güte ist es, was ich eines Tages auch vielfach ernten werde. Genau dann, wenn ich sie selbst brauche. Wir ernten, was wir säen.
Was hast du heute gesät? Körner der Liebe oder eine Saat des Hasses?
Sorge dafür, Mensch, dass du den Grundstein für das legst, was du ernten möchtest. Aus einem Korn des Hasses ist noch kein Baum der Liebe erwachsen. Die Liebe aber mehrt sich, indem wir sie teilen. Was für eine wunderbare Frucht, die zu geben und zu empfangen wir gekommen sind. Auch du, mein Freund, meine Freundin, auch du!


