Spiritualität und Bewusstsein: Befreiung vom Herdenbewusstsein 3.
 
von Martinus -
Die Gesetze und Regeln der Erdenmenschen befinden sich größtenteils in Übereinstimmung mit denen des Tierreichs.
Es ist also eine gradweise Befreiung, die stattfindet, da es dem Individuum schwerer fällt, sich Parteidisziplin, Dogmen, Zeremonien oder anderen autoritären Verfügungen unterzuordnen. Allmählich wünscht es sich, ganz frei zu sein, aber es wird entdecken, dass das schwierig, ja beinahe unmöglich ist in der Welt, in der die Menschen derzeit leben. Der Mensch muss in dieser Welt mit anderen Menschen zusammenleben, sie müssen wechselseitig miteinander umgehen und Lebensbedingungen für einander schaffen.
Das kann nicht ohne Gesetze, Regeln und Verfügungen geschehen, denen sich alle unterwerfen müssen. Aber die Frage ist, ob sich die Gesetze, Verfügungen und Regeln des Erdenmenschen in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Lebens befinden? Sie befinden sich größtenteils in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Tierreichs, mit „dem Recht des Stärkeren“.
Es kommt jedoch auch etwas Menschliches zur Geltung, da das Gesetzes- und Rechtswesen gerade die Aufgabe hat, dafür zu sorgen, dass die Schwachen, d.h. die physisch oder ökonomisch Schwachen, in der Gesellschaft auch zu ihrem Recht kommen können. Aber es ist das Prinzip ,,Auge um Auge, Zahn um Zahn“, das gilt.
Und auch wenn man sagen muss, dass die Entfaltung dieses Prinzips einen Schritt vorwärts in Richtung menschlicher Gesetze geht, besonders wenn sie wirklich in der Weise angewandt werden, dass die Schwachen auch ihr Recht bekommen, so ist es doch nicht die Gerechtigkeit, sondern die Liebe, die das innerste Gesetz des Lebens ist. Und solange sich die Erdenmenschen in ihrem gegenseitigen Verhältnis nicht auf einer Wellenlänge mit dem Gesetz der Liebe befinden, wird ihre Welt ein mentaler Dschungel sein.
Bescheidenheit und Demut sind der Ausdruck einer wirklichen, menschlichen Kultur
Das Herdenbewusstsein der Erdenmenschen äußert sich nicht nur in der Weise, dass sie in Gruppen mit gemeinsamem religiösen Glauben oder gemeinsamer politischer Überzeugung oder in anderen Gesinnungsgenossenschaften auftreten, die sie dahin bringen, einander mental zu gleichen, so wie die Tiere in der Tierherde einander gleichen.
Das Herdenbewusstsein kann sich auch in hohem Maße bei Menschen äußern, die absolut nicht so handeln und denken wollen, wie die „Volksmassen“ es tun. Sie fühlen sich erhaben über die „gemeine Masse“, entweder aufgrund ihrer aristokratischen Geburt oder aufgrund eines speziellen Wissens und Könnens innerhalb eines lokalen kulturellen Bereichs.
Sie haben keine Minderwertigkeits-, sondern Höherwertigkeitskomplexe, sie repräsentieren entweder die Herrenvolkmentalität oder das Pharisäertum – zwei Arten von Mentalität, die meinen, Ausdruck von Individualismus und Hochintellektualität zu sein, die aber kosmisch gesehen nur besondere Formen von Herdenbewusstsein sind, das auch verschwinden muss, damit sich eine wirklich menschliche Mentalität entwickeln kann.
Geistiger Hochmut hat überhaupt nichts mit wirklicher, menschlicher Kultur zu tun, vielmehr haben Bescheidenheit und Demut damit zu tun, die natürlich mit Nächstenliebe und mit einem echten und innerlichen Gottesverhältnis verbunden sind.
Herzlichst Martinus
Aus einem Vortrag vom 21. Juni 1951. Bearbeitet von Mogens Møller und gutgeheißen von Martinus
Zum ersten Mal im dänischen Kosmos Nr. 13, 1973 mit dem Titel: "Frigørelse af flokbevidstheden" erschienen.
Übersetzung: Christa Rickus, EG
© Martinus Institut 1981   www.martinus.dk
      


