Spiritualität - Impressionen zu Kreativität.
Kolumne von Karl Gamper -
Kreativität hat nichts mit einer bestimmten Arbeit zu tun. Kreativität ist ein Bewusstseinszustand. Denn Kreativität verbindet uns mit dem Göttlichen in uns und damit mit jenem permanenten Schöpfungsprozess, der aus einem Ozean der Leere kommt. Ich könnte auch sagen: Gott ist ein Schöpfungsprozess. Gott ist ein Ozean der Leere – dessen Aroma vollkommen jenseits – transzendent - unseres analytischen Verstehens erfahren werden kann. Und zwar in der Stille des sich wandelnden Augenblicks. In der Lücke. In der Leere. In dem Dazwischen.
Wenn wir meditieren, dann gehen wir ja nirgendwo hin. Doch wir verändern die Richtung. Wir fallen in die Senkrechte. Wir tauchen ein in jenes Niemandsreich, das sprach- und gedankenlos ist. Und je öfter wir das tun, desto mehr färbt sich unser Wesen ein mit jenem Duft, mit jener Stille, mit jenem Nicht-Wissen, mit jenem Mysterium, das wir aus diesen Übungen in unseren Alltag mitnehmen.
GIB DEN KAMPF AUF
Kein Kampf. Kein Krampf. Ich weiß, das lässt sich leicht schreiben und schwer umsetzen. Für mich zumindest. Seit 35 Jahren meditiere ich nun. Und immer und immer wieder ertappe ich mich, wie es mich zieht, in diesen alten Reflex des Kampfes zu fallen. In meinem Verständnis ist das Ego ein Nebenprodukt dieser kämpferischen Einstellung, die sich aus dem Emotionalkörper nährt. Eckhart Tolle gab dem Emotionalkörper den treffendsten aller Namen. Er nannte ihn Schmerzkörper. Und tatsächlich bereitet uns dieser Körper Scherzen. Nicht nur uns - sondern auch jenen, mit denen wir kämpfen. Und kämpfen wir, sind wir im Widerstand mit dem was ist, dann versickert auch jene existentielle Kreativität, von der ich hier spreche. Diese Form des Kampfes führt zu Angst, zu Bedrängnis, zu Stress.
Wir kennen wohl alle auch jene Spielart der Kreativität, die aus dem Verstand kommt, die unter Druck entsteht, nach Tassen von schwarzem Kaffee, garniert mit Zigarettenrauch. Diese Kreativität ist stets gekünstelt und wirkt auch so. Sie mag uns staunen lassen, doch sie beruhigt uns nicht, nährt weder Herz noch Seele. Sie lässt uns weder verweilen noch ankommen, sondern löst Mangel und endloses Haben-Wollen aus. Unsere Konsum-Welt ist durchdrungen von dieser lauten Kreativität. Je lauter, je schriller, je schräger – desto besser. Doch desto besser für wen?
DIE EINGANGSTÜR DER KREATIVITÄT
"Sei ganz Ohr", sagte der Meister. "Hör einfach nur zu." Nicht die Augen, sondern dieses innere Lauschen, dieses nach Innen lauschen öffnet uns die inspirierende Fährte zu jenem Feld aller Möglichkeiten, an das angedockt zu sein so lohnend ist. Daher ist es nicht so wichtig, was wir tun, entscheidend ist, wie wir es tun. Wir können bei jedem Tun Kanal sein, empfänglich für die Signale aus dem Nirgendwo. Ein Gärtner kann genauso kreativ sein wie ein Poet. Wer immer seine Arbeit mit Liebe und Hingabe tut - aus dem Herzen - ist ein Künstler.
Mit scheint, aus all dem lässt sich eine Art ultimative Haltung für Kreativität formulieren: Werde zuerst empfänglich – lausche - dann handle analog zu deinen inspirierenden Impulsen. Wenn du schreibst, lausche, was gesagt werden will. Lass die Worte resonieren mit deinem eigenen Sprachkostüm. Mit der Zeit gestaltet sich so eine Klaviatur, die unverwechselbar den Klang deiner individuellen Art wiedergibt.
So lässt du dich selbst formen vom Größeren und bist zugleich Ausdruck und Klang. Du wirst zu jenem Ton im Orchester des Lebens, der ganz deiner Individualität entspricht und gleichzeitig mit einem größeren Wir verbunden ist. Wir alle sind Blätter an einem großen Baum. Dem großen Baum des Lebens. Wie kreativ ist denn das?
Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Frühling. Genießen Sie das Sprießen der Natur.
Karl Gamper