Die Angst vor dem Fremden sieht nicht das Neue, sondern das bedrohte Alte/Eigene. Das Fremde und die Fremden in unseren Träumen sind seelische Anteile, die zu uns gehören. Als böse erleben wir, was sich unserem Willen und unserer Absicht entgegenstellt. Es gäbe bedeutend weniger Kriege, wenn Schatten als zentrales Thema jedes Menschen erkannt und bearbeitet würde.
Ähnlich sieht das in Paarbeziehungen aus: Jeder für sich alleine kann die Kontrolle über seinen Schatten und seine Verdrängung aufrecht erhalten, zu zweit gelingt die Verdrängung nicht mehr. Das Verdrängte erreicht bei beiden zusammen eine kritische Masse, wird manifest und es kann der Durchbruch von der Phantasie zum Handeln erfolgen. Haben beide Partner dieselben Qualitäten verdrängt, kumulieren sie sich, wenn die beiden zusammen sind.
Ein Beispiel: Wenn man sich streitet, ist man sich immer sehr nah und dennoch abgegrenzt. Ist das Beziehungsideal Nähe durch Auseinandersetzung, dann ist Harmoniestreben der Schatten. Das heisst: ekszessives Harmoniestreben führt zu dauernden Streitigkeiten.
In der konkreten Arbeit mit dem Schatten gibt es laut Verena Kast wichtige Schritte zu beachten: zuerst erfolgt die Selbstbesinnung in einem akzeptierenden, positiven Sinn (alles, was unseren Selbstwert stärkt wird ins Bewusstsein geholt) und der Teil von uns, der die Schattenkonfrontation nicht nötig hat, wird zurückgelassen.
Sind wir mit dem Schatten konfrontiert ist es sehr wichtig, dass die Frage nach der Identität an uns gestellt wird. Kann der Schatten nicht mehr verdrängt werden, findet ein Lebensübergang statt. Es ist gefährlich, sich keinen Schatten zu erlauben, es ist aber auch gefährlich, sich jeden Schatten zu erlauben.
Die Arbeit mit den Schatten kann in der Psychotherapie vielfältig realisiert werden: von der Arbeit mit Bildern, Imaginationen über Körpersymptome oder systemische Skulptur- und Aufstellungsarbeit (Inneres Team, Denkhüte), Gestalttherapie, Kernquadrate und Voice Dialog gibt es zahlreiche Wege des Zugangs zu den Schattenanteilen.
Wichtig scheint mir, dass wir lernen zu hören, was unser Inneres uns fragt, dann können wir aufhören, das im Äußeren leben und erleben zu müssen. So können wir lernen, uns unseren Schatten zum Lehrmeister zu machen.


