Vegan leben
II. Tierrechte und Tierleid
Das Leid der Schlachttiere
Wer Tiere oder deren Eier oder Milch als Nahrung benutzt, nimmt Leid in Kauf. Tiere fühlen nicht nur, sie können sich auch einfühlen, trauern und trösten, leiden und helfen. Sie haben eine individuelle Persönlichkeit, Intelligenz und Gefühle. Der Münsteraner Verhaltensbiologe Norbert Sachser bestätigt, „dass alle höheren Wirbeltiere Emotionen haben“ (01). Die Tierärztinnen Corina Gericke und Astrid Reinke erklären hierzu, „dass Schmerz und Todesangst zumindest bei allen Wirbeltieren vorhanden sind. Biologische Merkmale der Schmerzempfindung sind auch bei vielen Wirbellosen bekannt“ (02). Im Schlachthaus wird dies besonders deutlich. Bekommt ein Tier angesichts seiner bevorstehenden Schlachtung einen Panikanfall, wird es erschossen. Seine massive Todesangst hat eine biochemische Wirkung zur Folge, denn „sein Fleisch ist dann ungenießbar“ (03). Das Tierleid beginnt jedoch weit vor der Schlachtung. Massentierhaltung ist betriebswirtschaftlich organisiert. Um die Gewinne zu steigern und konkurrenzfähig zu bleiben, werden die Tiere in völlig überfüllte Käfige und Ställe gezwungen. Fische z.B. werden in der Massenfischzucht auf engstem Raum gehalten, mit Antibiotika gefüttert und müssen vor ihrer Schlachtung wochenlang hungern (04). In der Schweinemast werden alle männlichen Schweine kastriert, damit ihr Fleisch beim Verzehr nicht bitter schmeckt, üblicherweise und gesetzlich erlaubt: unbetäubt. Im Dokumentarfilm „easy.vegan“ gibt es Kameraaufnahmen von Schlachtungen aus Bio-Betrieben, die panische und ausblutende Tiere zeigen (05).
Leid durch den Konsum tierischer Erzeugnisse
Auch der Verzehr tierischer Milch oder Eier erzeugt Leid und Tod. Ein Huhn muss selbst in Bio-Betrieben 50 mal mehr Eier legen als in der Natur. Auch auf Demeterhöfen dürfen Hühner höchstens ein bis zwei Jahre (statt natürlichen acht) leben, werden unrentabel und gehen zur Schlachtung. Alle männlichen Küken werden zerschreddert oder vergast. Weder eine Biozertifizierung noch so genannte artgerechte Haltung verringert das Leiden der Tiere. Trinken wir Milch, sind wir für den frühzeitigen Tod der Kuh im Schlachthof mitverantwortlich. Die Kuh wird künstlich besamt, um den Milchfluss aufrecht zu erhalten. Mutter und Kalb werden unmittelbar nach der Geburt von einander getrennt, die Bullenkälber werden alle geschlachtet. Am vorzeitig herbeigeführten Ende landet die erschöpfte Kuh im Schlachthaus (06). Und Honig? Karl von Frisch zeigte in den 1950er Jahren, dass Bienen komplexe, soziale und intelligente Lebewesen sind. Die Honigbiene ist im Übrigen nach Rind und Schwein in Deutschland das drittwichtigste Nutztier (07). Bei der Imkerei handelt es sich folglich um alles andere als ein Hobby. Die Bienen werden eingesperrt und kommen keinesfalls freiwillig herbei geflogen (08).
Tierrechte oder Tiernutzung
Wir müssen selbst entscheiden, ob wir das Tier weiter für unsere Zwecke nutzen wollen oder ihm Rechte zugestehen. Der Philosoph und Autor Helmut F. Kaplan plädiert für das Recht des Tieres auf Schutz vor Leid. Als Basis für diese Forderung sieht er die Leidensfähigkeit, welche Tier und Mensch gemeinsam ist und mehr wiegt als alle Unterschiede (09).Das geht weit über die Wahl unserer Nahrungsmittel hinaus und betrifft auch unsere Bekleidung. Für Leder werden jede Woche tausende indischer Kühe geschlachtet und zuvor Gewaltmärschen und LKW-Fahrten mit unsagbaren Qualen und Verletzungen ausgesetzt. Für Pelze müssen jährlich 100 Millionen Wildtiere auf grausame Art und Weise ihr Leben lassen (10). Wem Wolle näher liegt als Pelz, wird ähnlich schlimme Haltungsbedingungen für Schafe vorfinden und auch sie enden meist auf der Schlachtbank (11). Tiere werden jedoch bei weitem nicht nur als Nahrung und Bekleidung benutzt. Tierversuche erleben am Forschungsstandort Deutschland einen regelrechten Boom. Allein 2009 waren trotz alternativer Methoden knapp 2,8 Millionen Tiere betroffen (12), beinah doppelt so viele wie noch 1997. Tiere werden u.a. in der Arzneimittelforschung, chemischer und kosmetischer Industrie sowie für die Prüfung von Impfstoffen eingesetzt. Sie werden dafür neben vielem anderen: vergiftet, erstickt oder ertränkt, genetisch manipuliert, abhängig oder schwer krank gemacht oder verstümmelt. Die meisten Ergebnisse dieser Maßnahmen am Tier werden der Öffentlichkeit überhaupt nicht zugänglich gemacht. Ist auf der anderen Seite im Labor ein Tier erfolgreich mit einer schweren Krankheit infiziert worden, wie z.B. die Krebsmaus, wird dies schon als wissenschaftliches Versprechen auf baldige Heilung beim Menschen gefeiert. Hinzu kommt, dass es keine gesicherte Übertragbarkeit vom Ergebnis im Tierversuch auf den menschlichen Organismus gibt. So ist Arsen für den Menschen schädlich, für Schafe gut verträglich, Penicillin wiederum für das Meerschweinchen schädlich. Der Wirkstoff Thalidomid (Contergan) ist für die meisten schwangeren Säugetiere harmlos, führt jedoch beim Menschen zu den bekannten schlimmen Missbildungen (13). Das Leid der Versuchstiere ist unbeschreiblich und führt noch nicht einmal zu verlässlichen medizinischen Erkenntnissen.
Das Recht der Tiere auf Unversehrtheit und Selbstbestimmung
Es könnte jedoch nie eine Legitimation sein, unseren Anspruch auf Gesundheit über das Wohl der Tiere zu stellen. Tiere haben ein Recht auf Unversehrtheit, Freiheit und Selbstbestimmung. Ob wir es ihnen verwehren oder zugestehen, nur darüber können wir entscheiden. Wir tun es auch, durch unser tägliches Handeln, allein durch unsere Ernährung, Bekleidung und Einkäufe. Tiere werden gleichfalls zur Unterhaltung und für Sport benutzt. Bei Stierkämpfen werden ihnen schwerste Misshandlungen bis zum Tod zugefügt, ebenso durch Angeln und Jagd. In Zirkussen gebrauchen Tiertrainer Metallhaken und Schlagstöcke. Sie zwingen den Tieren mit Schlägen, Schreien, Beschimpfungen und Schmerzen die Dressur auf. Die Tiere leben ohne Auslauf oder die Gesellschaft anderer Tiere in engen Käfigen. In Zoos werden wilde Tiere zu Objekten menschlicher Betrachtung reduziert, ihrer natürlichen Umgebung beraubt und fristen ein Leben in entsetzlicher Eintönigkeit (14). Doch das kritische Bewusstsein steigt und immer mehr Menschen im deutschsprachigen Raum gehen deshalb nicht mehr in den Zoo (15). Der Mythos vom leidfreien Ei und gesunder Milch schwindet- und mit ihm die scheinbare Harmlosigkeit unterhaltender Zoo- und Zirkusbesuche und die angebliche Notwendigkeit von Millionen Tierversuchen.
Der III. Teil „Globale Zusammenhänge und Verbindung“ wird diesen Artikel abschließen…
(01) „Wie Tiere fühlen“, Stern-Titel 18.11.2010
(02) „Was Sie schon immer über Tierversuche wissen wollten“, S. 35f, Gericke et al., Echo-Verlag, 2005
(03) „Vegan“, S. 59, Kath Clements, Echo-Verlag, 2008
(04) „Vegan“, S. 61f, s.o.
(05) „easy.vegan“, veg-tv.info/Easy_vegan
(06) „easy.vegan“, s.o.
(07) vgl. wikipedia.org (“Karl von Frisch” und “Westliche Honigbiene”)
(08) https://www.vegane-beratung.com/Honig.html
(09) „Sollen wir Tieren Rechte verleihen?“, tierrechte-kaplan.org
(10) „Earthlings“, Dokumentarfilm, Abschnitt „Bekleidung“, Nation Earth, 2010
(11) vegane-gesellschaft.org/vegan-im-alltag/
(12) „Zahl der Tierversuche steigt“, sueddeutsche.de, 17.08.2011
(13) „Was Sie schon immer über Tierversuche wissen wollten“, S. 11-26, s.o.
(14) „Earthlings“, Dokumentarfilm, Abschnitt „Unterhaltung“
(15) „Immer weniger Menschen wollen Tiere in Gefangenschaft sehen“, zoo-kritik.de, 22.07.2011