Der Tag begann früh..Eigentlich war es noch dunkel ,
als die schmale Sichel der Mondin mich weckte.." Es
ist Zeit aufzubrechen.." flüsterte sie ganz leise und
noch schlaftrunken bestellte ich mir ein Taxi und
fuhr zum Flughafen. Jesus war auch da, zumindest
beschwor diese eindringliche afrikanische
Frauenstimme singend seine Gegenwart auf der Endlos-
Cd, die die Fahrt zum Flughafen begleitete. Der
ebenfalls afrikanische Taxifahrer sang und trommelte
mit und obwohl wir kein Wort gesprochen hatten,
verabschiedeten wir uns als Freunde. Trotz der
unzähligen Menschen, die in Hawaiihemden ihren Urlaub
antraten, fühlte es sich still an, wie mitten in einem Stummfilm..
Ich war noch in jener wunderbaren Zone zwischen
Wachen und Schlafen, in der ich wählen kann,
was ich wahrnehmen wollte..Ich selbst war
unsichtbar..Diesen Zauber beherrsche ich schon lange,
doch diesmal hatte die Unsichtbarkeit meine Bordkarte
miterfasst..Der Scanner konnte dieses schwarze
Muster( Gott weiss wie es heisst) auf meiner Karte
nicht und nicht erkennen und selbst manuell waren die
Stewardessen nicht fähig meinen Namen in den Computer
einzutragen..keiner verstand es , aber sie liessen
mich trotzdem fliegen...Alles lief gut..Noch immer im
Dämmerzustand wechselte ich die Maschine und fand
mich als eine von 3 weiblichen Passagieren im Flieger
von Frankfurt nach London-City wieder...und alle und
ich meine alle! 100 und ich weiss nicht wie viele
Passagiere trugen Anzüge, sogar die beiden anderen
Damen. Ich war die einzig Nichtuniformierte in dem
Flugzeug und unwillkürlich musste ich an Matrix
denken und machte mich wenn möglich noch
unsichtbarer..Sie sprachen alle von der Börse und
Kursen und plötzlich dachte ich..welche Gelegenheit:
Ich begann damit ein Gebetsfeld auszulegen und die
göttliche Natur in ihnen zu rufen und reiste umgehend
nach James Redfields Shamballa und las, wie die
Menschen dort längst die Technik aussschliesslich
dafür nutzten ihre eigenen Manifestationskräfte zu
verstärken. Als ich den Flieger verliess begann ich
mit Peter Herrmanns Übung des Seelenschauens und ich
schaute jedem einzelnen dieser Menschen in die Augen
und zu meiner Freude konnte ich die Menschen hinter
den Uniformen sehen, auch wenn die meisten von ihnen
den Blick abwandten..Aus den Augenwinkeln sah ich
Schilder, während wir in sich windenden Schlangen zur
Zollkontrolle gingen, die besagten, dass jeder Nicht
-EU oder Schweizer Bürger seine Fingerabdrücke
abgeben müsste..Da wurde mir kurz übel...
Endlich trat ich ins Freie-und da waren sie: Die
englische Luft( in der immer ein bisschen Meer
mitschwingt) und das englische Licht( in dem sich mir
die satten grünen Wiesen und unzählige purpurfarbene
Sonnenuntergänge für immer eingebrannt hatten, nicht
zu vergessen das Zwielicht und die aufsteigenden
Nebel zu Sonnenaufgang über den Mooren) beide
unverwechselbar für mich..und als ich die ersten
Backsteinhäuser sah, fühlte ich mich zuhause, so
zuhause, dass mir warm ums Herz wurde..Ich habe
soviel Zeit in England vebracht, soviele Leben auf
den Inseln, dass mein Körper, kaum dass er die Luft
atmete von Erinnerungen überquoll....Auch die Möwen
begrüssten mich..Ich liebe Möwen und fühl mich ihnen
auf eigenartige Weise verbunden..
An der Bushaltestelle traf ich auf einen Clochard,
dem ich Feuer gab, obwohl die Ordnungshüter ihn
förmlich von mir wegzureissen trachteten..Er segnete
mich dafür...es ist ein sehr erhebendes Gefühl von
einem Menschen der Strasse gesegnet zu werden...
Am ersten Bestimmungsort angekommen stieg ich aus und
wieder umkreisten mich Möwen...ich wusste, dass sie
mich begrüssten und mich zur Küste riefen und ich schaute auf, um
ihnen zu sagen, dass ich kommen würde, sobald wie
möglich ...Ein vorbeifahrender Wagen hielt an und
ein Mann rief aus dem Fenster: " Are you lost"?? Was
bedeutet ob ich mich verirrt hätte oder ob ich
verloren wäre..Ich sagte Nein..ich hatte mich nicht
verirrt..Hatte ich mich verloren?
Ja-Immer wieder hatte ich Zeiten abgestreift,
Räume, Selbstbilder,
ja in diesem Sinne hatte ich mich oft verloren...und weiter
rückten Erinnerungen nach...unzählige Situationen in London...
Ich habe einige Jahre lang mehrere Wochen in einem Asylantenheim
verbracht in der Meinung es sei noch immer
ein Hotel, bis eine wohlmeinende Freundin mich
aufklärte...Ich war auch immer als einziger Gast im
Frühstücksraum, während mir der Essensgeruch aus
allen anderen Zimmern entgegenschlug und wir mehrmals
das "Hotel" wegen Feueralarms verlassen mussten..Ich
hatte sogar mein Omilein in dieses Asylantenheim
geschleift...Ja, es war auch dort, im Frühstücksraum
des Asylantenheims , als die Nachricht von Dianas Tod
kam. Ich weinte und wusste schon damals nicht warum,
aber ich hatte das Gefühl eine enge Vertraute wäre
gegangen, obwohl ich mich zuvor kaum mit ihr
beschäftigt hatte..Nie werde ich jene Trauer
vergessen, die London erfasste..Nie zuvor und nie
danach habe ich soviele Menschen gesehen, Alte und
Junge, Kranke und Gesunde, Menschen aller Rassen,
aller Religionen, die tage- und nächtelang stumm in
den Strassen standen und trauerten...
Ich sah
unzählige Tage in Camden, in Portobello, in East
London , in Spitalfields, in Southhall, im Westend an
mir vorüberziehen...Tage , die sich über 20 Jahre
erstreckten ..ich sah Wochen und Monate in
Glastonbury, in Cornwall und ich begegnete mir
selbst, immer und immer wieder, in dieser Luft, in
diesem Licht...und wieder sah ich die trauernden
Menschen aller Rassen , nachdem Diana starb.... Ja,
auch das und vorallem das ist London: Bunt, obwohl
der Himmel oft bedeckt ist, ist das Leben
fühlbar....soviele Farben, bunte Gewänder...wo sonst
kann ich Freunde von Zypern, von Indien, von
Pakistan, von Griechenland, von Italien, vom
Sudan...in weniger als einer Stunde umarmen..wo in
so kurzer Zeit fühlen, nein wissen, dass wir alle,
alle von einer Essenz sind?
Ich entschied mich diesmal in ein
Gebiet zu gehen, das ein bisschen an 1000+1 Nacht
erinnert...Bevölkert vorallem von Afrikanerinnen,
Inderinnen, Araberinnen und ihren Kindern auf der
Suche nach einem Hochzeits-oder Abendkleid...Dort
gibt es Geschäfte, die es (noch) irgendwie geschafft
haben zu überleben.Hier gibt es Kleider, die aus dem
Märchenreich zu stammen scheinen, funkelnde,
schimmernde Kleider, die in einer rationalisierten
Welt fremd anmuten oder wie Relikte einer länst
vergangenen Zeit...
und doch gibt es sie noch und noch
gibt es Frauen, die sie tragen..und diese Frauen
haben Kinder, deren Augen leuchten und die vor Freude
aufjuchzen, wenn ich ihnen zulächle und lachen und
winken, wenn sie vorübergehen...Ich kann den Blick
nicht von den afrikanischen Frauen wenden..ich
bewundere sie, jeder Quadratzentimeter ihrer meist
fülligen Körper ist mit Lebenskraft erfüllt und
allein ihr Gang ist ein wiegendes Versprechen...
Sie tragen die Erdkraft in sich und strahlen für mich
Schönheit aus und Würde, obwohl sie wohl kaum das
Cover der Vogue zieren dürften... und alle sind sie
da, in dieser Strasse: die tief verschleierten
Araberinnen, die Jüdinnen, die Afrikanerinnen, die
Inderinnen..es ist ein Fest der Weiblichkeit und ich
fiel in diesen Traum aus 1000 +1 Nacht und obwohl ich
in den letzten Jahren zwischen 15- und 25000 Kleider
gekauft habe, stand ich vor diesen Kleidern, als würd
ich sie zum ersten Mal sehen...und mein Herz ging auf
angesichts der Schönheit und mein Herz siegte über
jegliche Vernunft...wenn ich nun denken müsste, ob
das alles mainstreamtauglich ist,und ob ich diese
Kleider auch verkaufen könnte, würde ich mich fühlen
wie eine Oppurtunistin und mich verleugnen..so
siegte also die kindliche Königin über die Vernunft
und selbst wenn ich mit meinem Geschäft untergehen
sollte, werde ich es in Schönheit tun
Da fiel mir ein, dass ich wahrscheinlich an die 100
mal in London gewesen war und noch nie Madame Tussauds
Wachsfigurenkabinett gesehen habe, noch den Tower von
innen(zumindest nicht in diesem Leben:-), geschweige
denn Buckingham Palace von innen, oder das Haus des
Sherlock Holmes...Ich habe überhaupt wenige
touristische Plätze gesehen, und doch hab ich in
dieser Stadt das Leben geatmet und ich liebe ihre
Buntheit , die Vielfalt, die Offenheit und Toleranz.
Wenn ich daüber nachdenke, kenne ich nur sehr wenig
Engländer in London , aber was solls..London ist
eine kleine Zusammenfassung dieser Welt und ich liebe
England, ein Land das so untrennbar mit Mythos und
Magie verwoben ist wie die aufsteigenden Nebel mit
Avalon...♥ Lile