Von Karina Goralczyk
Schließen Sie Ihre Augen und stellen sich vor, Sie sind in einem hellen Raum. Sie atmen tief ein und riechen den Duft der gelben Narzissen, die auf dem Schreibtisch vor Ihnen stehen. Die Blumen sind gerade aufgeblüht und duften ganz zart.
Sie genießen den Duft dermaßen, dass Sie nicht merken, dass ein Mensch den Raum betritt. Sie sind ganz weit weg, in einem Reich voller wundervoller Gerüche und Farben. All diese Pracht erstreckt sich über den ganzen Raum und Sie können nicht anders als noch einen Atemzug von dieser Wonne zu genießen.
Irgendwo im Inneren fühlen Sie Nervosität, weil Sie eine beunruhigende Nachricht von Ihrem Arzt auf dem AB hatten, aber das stört sie gerade nicht. Diese Farben und Gerüche vernebeln Ihnen die Sinne, aber was ist mit der Nachricht?
Ah diese Farbenpracht, so etwas haben Sie noch nicht gesehen. Im Hintergrund hören Sie etwas ganz leise flüstern. Ist das eine Schmetterling oder ein Vogel. Das unruhige Gefühl von vorhin macht sich wieder bemerkbar, aber was ist es bloß?
Die Nachricht auf dem AB, was war das noch mal? Sie können sich nicht mehr genau erinnern aber das ist jetzt zweitrangig. Der Duft macht es Ihnen unmöglich sich loszureißen.
Frau Müller? Frau Müller? Frau Müller? Frau Müüllllerrr? Frau Müller, hören Sie mich?
Auf einmal sind Sie da, im Raum, in dem Sie vorher an dem Schreibtisch gesessen haben und vor Ihnen sitzt ein älterer Herr mit grauem Haar und redet anscheinend mit Ihnen.
„Ich denke Sie wissen warum ich Sie gerufen habe“, fragt der ältere Herr.
„Nein, warum?........ Ah Warten Sie, ich wurde angerufen, weil Sie bei den Ergebnissen meiner Untersuchung etwas gefunden haben. Und dass es dringend ist.“
„Ja… Frau.. Müller…. Es ist so…. Wir haben alles noch mal geprüft…. Mehrmals… und ……………….
„Und was?“, fragen Sie ganz leise.
„Es tut mir sehr leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass ……Sie ……dass Sie einen irreparablen Gehirntumor haben…………“
„W..wi…wie was meinen Sie? Ich bin doch immer gesund gewesen“, entgegen Sie und der Schock steht Ihnen förmlich ins Gesicht geschrieben. Ihre Lunge fühlt sich auf einmal ganz schwer an und irgendwie reicht die Luft nicht mehr zum atmen aus. Sie sacken auf dem Stuhl zusammen und die Tränen laufen Ihnen die Wagen runter.
„Frau Müller, es ist leider noch schwieriger als Sie denken………………………… Sie…Sie……….Sie haben nur noch……. 3 Wochen zu leben.“ Der Arzt atmet ganz schwer aus und man merkt ihm die Schwere dieser Nachricht deutlich an.
In diesem Moment hören Sie nur noch ein Rauschen, denn das gesamte Blut schließt in Ihre Ohren. Ihr Herz pocht so schnell, dass Sie es kaum aushalten können. Alles vor Ihren Augen verschwimmt und Sie fühlen die Ohnmacht sich ausbreiten. Sie fallen und fallen und dann ist nichts. Sie sind ohnmächtig im Stuhl versunken.
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Ist das nicht eine grausame Art sein Leben zu erkennen? Ich sah heute einen Film, der mich sehr berührt hat.
Er handelt von einer Frau, die immer das gemacht hat, was sie nicht glücklich machte. Bloß die Klappe halten und nicht anecken. So kommt man am besten durchs Leben, dachte sie.
Jedoch wird ihr Leben von jetzt auf gleich umgeworfen. Sie bekommt eben die Diagnose, die ich beschrieben habe. Gehirntumore, 3 Wochen zu leben. Sie kündigt, nimmt alles, was sie gespart und geerbt hat und reist dahin, wo sie schon immer hin wollte. Sie hat ja nichts zu verlieren. Sie genießt mit allen Zügen, jedoch bleibt eine Frage stets offen: “ Warum habe ich das nie vorher gemacht?“
Wo in unserem Leben legen wir uns Zwangsjacken an, von Dingen, die wir meinen machen zu müssen, weil vielleicht jemand das so erwartet?
Wenn Sie noch 3 Wochen zu leben hätten und das wüssten, würden Sie immer noch in Ihrem Leben so weiter leben wie bis jetzt? Wenn ja, dann wäre ich sehr glücklich von Ihnen zu hören. Ich möchte es von Ihnen lernen.
Wenn aber nein, dann überlegen Sie, was in Ihrem Leben nicht stimmt, was Sie schon immer machen wollten, und nicht machen möchten. Was bringt Ihr Herz zum Singen?
Aber immer vor dem Hintergrund, dass Sie in 3 Wochen sterben!
Als ich mir gerade die Frage stellte, flossen und fließen gerade die Tränen. Sie berührte mich sehr. Es ist bestimmt nicht leicht gegen Konvention und Erwartungen anderer etwas für sich selbst zu tun.
Aber wer in Gottes Namen soll es für Sie tun? Glauben Sie mir, keiner wird es.
Weder Ihre Familie, noch Ihr Partner noch Freunde und schon gar nicht ihre Arbeitskollegen.
Ich weiß, dass das sehr hart klingt, aber ich denke wir müssen aufwachen.
Aufwachen aus der Gesellschaft, in der es normal ist, sich selbst zu hassen, um anderen zu gefallen. Aufwachen aus dem Trott, den wir jeden Tag durchlaufen, und zu hoffen, dass es irgendwann mal alles besser wird.
Überdenken Sie Ihr handeln. Überdenken Sie Ihr Denken. Die 3 Wochen zu leben sind bestimmt drastisch, aber das Leben selbst, ob wir noch 40 Jahre oder 3 Wochen zu leben haben, sind sehr schnell vorbei. Fragen Sie jeden 70- oder 80-jährigen, wie schnell diese 70 oder 80 Jahre vorbei waren.
Und was gibt es schlimmeres, als dann alt und gebrechlich im Stuhl zu sitzen und zu sagen: Ah hätte ich doch…. Wenn ich doch nicht so feige/bequem/ängstlich gewesen wäre, dann hätte ich…. !
Die 1. Frage lautet also:
Würde ich das oder dies auch tun, wenn ich nur noch 3 Wochen zu leben hätte?
Und die 2.?
Die ist schön:
Was bringt Ihr Herz zum Singen?