Liebe als lebensgebende Kraft.
von Martinus –
Kein physisches Leben kann ohne die Liebe als lebensgebende Kraft existieren.
Die großen Religionen haben jedoch jahrtausendelang Liebe und Selbstlosigkeit gepredigt, und es sieht aus, als ob das kaum geholfen hat, da es auf der Welt mehr Mord, Terror und Diktatur gibt denn je zuvor. Ist all das Reden über Nächstenliebe denn nur sentimentale Träumerei und nichts, was mit der Wirklichkeit zu tun hat?
Vieles von dem, was unter dem Namen Nächstenliebe existiert, kann so einseitig gefühlsbetont sein, dass es als allzu große Gutmütigkeit und schwärmerische Gefühlsduselei charakterisiert werden kann, die sogar an Fanatismus grenzen können. Aber die wahre Liebe existiert, und viele Menschen sehnen sich danach, wie sie sich auch nach dem Frieden sehnen. Wenn die wahre Liebe nicht eine Realität als universelle kosmische Kraft gewesen wäre, die größte Licht- und Wärmequelle des Lebens, wäre alle materielle Wärme, alles Licht todbringend für die Lebewesen, ein Hindernis für das Erleben des Lebens. Kein Auge, kein Atemzug, kein Blutkreislauf, also kein physisches Leben würde auf dieser Erde existiert haben ohne die Liebe als lebensgebende Kraft.
Man kann keinen anderen Menschen besitzen.
Die physische geschlechtsbetonte Liebe ist auch eine Wirkung der kosmischen oder göttlichen Liebeskraft, eine Wirkung, die auf gewissen Stadien in der Entwicklung sowohl natürlich als auch göttlich ist. Das sind Stadien, auf denen die Selbstsucht der Wesen in einer Periode ein notwendiger Faktor im Kampf ums Dasein ist. Ein Glied in diesem Kampf ist der Kampf, einen Gatten zu "besitzen". Das Eigentumsrecht über ein oder mehrere Wesen des femininen Geschlechts ist etwas Natürliches für das maskuline Wesen im Tierreich, und dies ist in die erdenmenschlichen Entwicklungsstadien hinaufgeführt worden, nicht nur in den Harems des Ostens, sondern auch hier im Westen, wo viele Ehemänner noch glauben, dass sie eine Art "Eigentumsrecht" über die Frau haben, mit der sie verheiratet sind.
Umgekehrt können auch viele Frauen meinen, dass sie ihren Mann "besitzen"; aber das Leben wird nach und nach sowohl Männer als auch Frauen lehren, dass man kein anderes Wesen besitzen kann. Auch die Elternliebe kann sich so auswirken, dass die Eltern glauben, dass die Kinder auf eine Art und Weise ihr Eigentum seien, "ihr eigenes Fleisch und Blut", wie man sagt. Aber wie in unseren Tagen in den Ehen vielfältige Konflikte und Schwierigkeiten existieren, gibt es auch viele Missverhältnisse zwischen Eltern und Kindern, die mit der Zeit durch Erfahrungen beitragende Ursachen dazu sein werden, dass die Menschen die wahre Liebe kennenlernen, die Liebe, die nichts für sich selbst fordert.
Herzlichst Martinus
Zum ersten Mal im dänischen Kosmos Nr. 6, 1972 mit dem Titel: " Menneskehedens kærlighedshunger" erschienen.
(Vortrag im Martinus Institut, Sonntag den 9. Januar 1949, bearbeitet von Mogens Möller)
Übers. Karin Linde
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