Gedanken Puzzle im Mai 2010.
von Lilo Schwarz
Zur Tarotlegung „Das Kreuz mit dem Kreuz“
Im Zusammenhang mit den massiven Vorwürfen an die Kirchenväter und –brüder, die landauf und landab des sexuellen Übergriffs an Kindern beschuldigt wurden, beschloss ein Schweizer Berggänger, das Gipfelkreuz auf einem ehrenwerten Felsen abzumontieren, gar zu zerstören mit der Begründung, dass solche Symbole wohl eher nicht an solch einen erhabenen Ort gehören. Eine interessante Wutabfuhr, die sich der Alpinist dabei verschafft hat. Möge es ihn besänftigen in seinem Zorn.
Über das Gipfelkreuz habe ich in meinen Tarotstudien rund um die unterschiedlichen Kreuzsymbole auch nachgedacht, das heißt bergsteigenderweise, nicht zu Hause am Schreibtisch! Oben lockte das Gipfelkreuz und ich verfasste darauf einen Artikel, den ich in meinem zweiten Buch am Schluss veröffentlicht habe und den ich sehr gerne hier anfüge:
Wir Menschen beginnen unseren Lebensweg durch das Tor der Geburt und wir sind so lange unterwegs, wie es uns vielleicht vorbestimmt ist oder wir die Kraft und den Atem zum Leben besitzen, bis wir das zweite große Tor, das des Todes durchschreiten. Zwischen diesen beiden Toren sind wir ständig unterwegs, werden reifer, erfahrener, fähiger, älter, bewusster, und hoffentlich auch fröhlicher und gelassener. Um diesen Zustand der Weisheit im Alter erlangen zu können, ist Arbeit nötig, Arbeit an uns selber, an den Beziehungen zu unseren Mitmenschen, zur Umwelt und Arbeit auch an unserer Lebensaufgabe, egal wie groß oder klein sie ist.
Ich vergleiche diesen Lebensweg gerne als den symbolischen Kreuzweg, gelangen wir doch auch im ständigen Unterwegssein an manche Kreuzung, wo immer wieder Entscheidungen von uns gefordert werden, welche Richtung wir einschlagen sollen. Auf dieser langen Lebenswanderung haben wir Ebenen zu durchstehen, Einöden gleich, die wir zum Teil über längere Zeiträume einfach aushalten müssen. Wir kämpfen uns durch die Fluten des Lebens, die uns aufweichen in emotionalen Stürmen und uns bisweilen vergessen lassen, wo uns der Kopf steht. Gefährliche und schier unüberwindbare Schluchten lassen uns zögerlich zurückschrecken. Wir stehen am Berg und fürchten den mühsamen Aufstieg. Und doch gehen wir immer wieder weiter, finden ein Schlupfloch, sehen einen Wegweiser, treffen auf Gleichgesinnte, die uns einladen mit zuwandern, oder fassen einfach wieder neuen Mut, den Weg, unseren Weg zu gehen, Schritt für Schritt.
Der Bergweg lockt uns vielleicht mit dem Gipfelkreuz, das an höchster Stelle errichtet wurde als Zeichen der Begrenzung zum Universum. Und genau dahin zieht es uns, dieser Grenze entgegen zwischen Erde und Himmel, zwischen dem Irdischen und dem Spirituellen, wo der höhere Sinn des Lebens sich erahnen lässt. Der Aufstieg ist anstrengend, Schweiß dringt uns aus den Poren, der Atem geht schneller und die Muskeln spannen sich unter der Haut.
Ein Gefühl der Befriedigung tritt auf, sobald wir nicht mehr Schritte zählen, sondern in den Zustand des Unterwegsseins gelangen, nicht mehr am Start ausrechnen, wie lange es wohl dauern wird, bis wir den Gipfel erreicht haben werden, auch nicht zurückblicken ins Tal, wo wir gestartet sind, sondern nur mit der Bewegung eins sind, einfach unterwegs sind. Da vergessen wir selbst den Weg, sind ganz bei uns selber und gleichzeitig mit der Welt. Der Weg ist das Ziel. Denn wenn wir das Ziel erreicht haben, sind wir an unserem Lebensende angelangt.
Das Leben hat sich uns zur Geburt geschenkt. Nehmen wir es dankbar an und gehen den Lebensweg unvoreingenommen wie der Narr, bestimmt wie der Magier, mit Hingabe wie die Herrscherin, und halten wir die Zügel fest in den Händen wie der Wagenlenker. Seien wir also bewusst unterwegs in unserem Leben und gestalten wir die Kreuzpunkte mit klaren Wegmarken. Erinnern wir uns all der Wachstumspunkte auf unserem Lebensweg mit Dankbarkeit, verarbeiten wir all die Unwirren mit Großzügigkeit und verschmerzen wir die Wunden, die das Leben uns schlägt mit Heilendem. Blicken wir unserem Leben mit Freude und Lust in die Augen und lernen täglich Neues.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen einen farbenfrohen Wonnemonat Mai.
Herzlichst
Lilo Schwarz