Gefühle zeigen erlaubt - das Pferderennen.
von Kerstin Werner -
Eine Kurzgeschichte aus meinem Buch „Gefühle zeigen erlaubt“ -
Das Pferderennen.
Vom ersten Tag an liebte Lisa ihr weißes Pferd. Sie liebte es, auf ihm zu reiten, und umsorgte es zärtlich.
Sie gab ihm gute Nahrung zu fressen und egal, welchen Platz ihr Pferd beim Rennen machte, sie stand hinter ihm und sagte ihm immer wieder: „Egal, welche Leistung du erbringst, ich liebe dich und werde dich immer lieben.“
Rainer hatte sich ein schwarzes Pferd gekauft, um mit ihm Siege zu erringen. Er gab seinem Pferd die teuerste Nahrung und feuerte es beim Training an: „Komm Blacky, du schaffst das. Schneller, schneller, auf mein Junge … du wirst das beste Pferd überhaupt. Wir werden gemeinsam jeden Preis holen.“
Beim nächsten Rennen in der Stadt gingen beide Pferde an den Start. Rainer war stolz wie Oskar, denn wie so oft gewann sein Pferd. Nach der Siegerehrung ging er mit ihm zum Stall.
„Und morgen trainieren wir gleich weiter, damit du beim nächsten Rennen noch besser bist. Gemeinsam schaffen wir das. Du bist eines der schnellsten Pferde, das ich kenne“ motivierte er den Rappen und zog triumphierend nach Hause.
Lisas Pferd belegte nur den 4. Platz. Als sie ihr Pferd zur Box begleitete, sagte sie mit sanfter Stimme wieder: „Du weißt, ich liebe dich, gleichgültig, ob du gewinnst oder nicht. Es ist einfach wundervoll, dass es dich gibt. Ich liebe es, auf dir zu reiten. Wir werden zusammen alt.“
Sie gab ihrem Pferd einen Kuss auf die samtweichen Nüstern und verabschiedete sich. Zufrieden und mit erfülltem Herzen ging sie heim. Glücklich, dass sie so ein Pferd ihr eigen nennen durfte.
Am nächsten Morgen war Aufruhr bei den Ställen. Als Lisa näher kam, wunderte sie sich über die vielen Leute, die mit betrübter Miene herumstanden. Reporter hielten Kameras auf Rainer, Mikrofone vor das Gesicht.
Er sagte mit bebender Stimme: „Mein Pferd ist heute Nacht plötzlich gestorben. Und DAS nach so einem hochklassigen Rennen.“
Lisa drängte sich zu ihm durch und fragte: „Weiß man denn, woran Blacky gestorben ist?“
„Nein“, erwiderte Rainer „ich verstehe es nicht. Eigentlich hatte mein Pferd ja alles, was es zu einem glücklichen Leben braucht.“
Herzlichst
Kerstin Werner
Eine Kurzgeschichte aus meinem Buch „Gefühle zeigen erlaubt“...