Wallfahrtsort - die Gnadenkapelle in Altötting.
von Gert Gröper -
Die Gnadenkapelle in Altötting. Ein Ort der Wunder in Bayern.
Es gibt viele Wallfahrtsorte in Deutschland, die eine große Ausstrahlung haben. Deshalb brauche ich nicht unbedingt bis nach Compostela in Spanien pilgern. Auch wenn der Weg dorthin über die Berge für Pilger einen besonderen Reiz ausübt.
Wenn ich mich in Deutschland für persönliche Wunder interessiere, dann ist für mich Altötting der Wallfahrtsort die Nummer eins. Ein Platz tiefer christlicher Gebete und nachgewiesener Wunder seit vielen Jahrhunderten. Und auch heute noch.
Wunder, die andere Menschen erleben durften und die auf Holztäfelchen bildhaft dargestellt werden. Naiv, ja. Aber auch immer sehr eindrucksvoll und für die Zeitlosigkeit gemalt.
Dieser auf den ersten Blick naive Ausdruck einer ganz persönlichen Lebenskrise, die nur durch Anrufung einer höheren göttlichen Macht sich zum Guten wendet.
Oder wendet sich alles zum Guten, weil ich bereit bin, mich zu ändern? Mich innerlich zu ändern? Weil ich mich traue, meinen Herzwunsch, den ich zuhause versteckte, hier in Altötting öffentlich zu machen?
Mich ziehen weniger die großen, vollen Prozessionen an, die nach Altötting herein strömen, um sich dann am Kapellenplatz aufzulösen, weil es so viele Kirchen um die Gnadenkapelle herum gibt, dass Platz für alle Pilger da ist.
Mein Altötting ist die Gnadenkapelle. Besonders am frühen Morgen und am späten Abend, wenn die Besucherströme ihren Weg nach Hause gefunden haben.
Wenn nur wenige Besucher ihrer Anwesenheit Ausdruck verleihen, indem sie ganz ganz still in einer der wenigen Holzbankreihen sitzen. Wenn man eintritt, auf der Seite links, wo die kleinen Votivtafeln an der Wand hängen.
Am liebsten lässt sich vorn in der ersten oder zweiten Reihe in Wandnähe alleine sitzen und diese Stille erfahren, die nach einiger Zeit in Kraft übergeht. Dort kann sich für ein zentrales Gebet, für einen Wunsch oder für einen übergroßen Dank eingestimmt werden.
Und dort kann man zuweilen beobachten, wie eine alte Frau auf ihren Knien langsam immer näher nach vorne rutscht bis zum Eingang ins Allerheiligste. Wo dann eine Marienstaue auf alle wartet, die mit großem Leid den Weg bis hierher gefunden haben.
Diese große Trauer dieser alten Frau können wir spüren. Bei ihr ist nur wenig Hoffnung geblieben. Vielleicht ein Fünkchen nur. Aber sie hat die Kraft gefunden hierher zu kommen. Hat den Mut aufgebracht, in dieser Stille des heiligen Orts ihrer Verzweiflung Ausdruck zu geben.
Und Pilger erinnern sich dann vielleicht dabei an ihren Auftrag, den ihnen eine kranke Mutter gegeben hat, die keine Kraft mehr hatte, selber bis hierher zu kommen. Eine Bitte um Mut, das Leben nun lassen zu können, in ihrem Alter, und weil ihr Krebs am Ende keine Hoffnung mehr verbreitete.
Aber wo ist das Wunder ? Doch davon später…
Hinter einem kleinen Eingang wartet dann die Marienfigur auf den Besucher. Ein kleiner Altar. Große Kerzen. Zuerst lenken die vielen Figuren in Silber den andächtigen Blick ab. Silberne Kostbarkeiten. Gold. Suchen wir das?
Aber schummerige Dunkelheit und tiefe Stille führen den religiösen Menschen von einer äußerlichen und dann innerlichen Andacht zu einer Madonna, die ganz schwarz ist, zu einer Schwarzen Madonna.
Ungewohnt. Selten? Doch es gibt auf der Welt verstreut immer wieder Mariendarstellungen, die als Schwarze Madonna eine besondere Anziehungskraft ausströmen.
So, wie die Schwarze Madonna von Altöttingen, mit dem Kind auf dem Arm. Sie hat ein gütiges Lächeln, das eine Kraft entfaltet, das den heiligen Innenraum und den ganzen Kapellenplatz füllt, wenn der Pilger allein im Raum vor ihr steht.
Aber wieso genügt es nicht, einfach zuhause still zu beten? Und dort auf ein Wunder zu warten? Für mich und für andere? Weil im eigenen Wohnraum zu viel alltägliche Gedanken verstreut wurden. Und weil die vertraute häusliche Umgebung ablenkt. Da führt mich ein Foto in den letzten Urlaub zurück. In der Küche wartet der Einkauf auf mich.
In Altötting können wir das Alltäglich loslassen, wenn wir in der Gnadenkapelle eintreten Wir treten in den heiligen Raum nur mit dem, was für uns besonders wesentlich ist.
Und was wir hier, in diesem Raum der beständigen Gebete, der immer neuen Gebete, spüren. Wie ein schützendes Gewand, das uns nach einer Zeit umgelegt wird. Wie eine höhere Kraft, die uns jemand mitgeben möchte.
Und wo sind die Wunder, von denen die vielen Votivtafeln erzählen?
Das Wunder für mich ist, dass ein Mensch sich hier ganz tief offenbaren kann und wieder einen Weg zu Gott finden kann. Hier in Altötting kann der Pilger sich mit der weiblichen göttlichen Energie verbinden, die an anderen Orten oft so sanft und zart dargestellt wird. Aber in Altötting ist die weibliche göttliche Energie voller großer Kraft, die helfen kann, bei mir Veränderungen herbei zu führen.
Vielleicht geben wir ein Versprechen ab. Vielleicht schöpfen wir erneut Hoffnung oder lassen endgültig los. Wunder zeigen sich zumeist anders als wie wir sie erwarten oder naiv ganz konkret erwünscht haben. Sodass wir uns dann oft zu schnell enttäuscht abwenden, wenn diese nicht sogleich sich so erfüllen wie von uns erbeten.
In Altötting ist wie an allen heiligen Orten der Welt die Möglichkeit, das Göttliche wieder zu spüren und das eigene Leben wieder mehr auf das Göttliche auszurichten. Wo wir über den Sinn des Lebens nachdenken können, ohne abgelenkt zu sein. Über mein Leben in aller Stille nachdenken: Was möchte ich noch in den nächsten Jahren tun oder erreichen? Wie kann ich mein Leben mit der Familie, mit der ich aufgewachsen und verbunden bin, noch liebevoller und freudiger gestalten als bisher?
Oder wo finde ich hinter der abgrundtiefen Trauer, weil ich einen sehr lieben Menschen verloren habe, wieder Hoffnung für mein eigenes Leben in meinem Alltag? Besonders Maria, als die weibliche Form des Göttlichen im christlichen Bereich, wo ein Kind im Arm auf die Geburt hinweist, ist ein wunderschönes Symbol für das doch ewige Leben, in dem Neues immer wieder entstehen kann. Möglicherweise ein besseres Leben, mit weniger Leid als im Augenblick vielleicht.
Die Gnadenkapelle von Altötting ist ein besonderer Ort. Wo die Kerzen heller leuchten und der Sternenhimmel ganz tief blau ist, wie es der Mantel der Schwarzen Madonna ausdrücken möchte.
Es gibt andere Wallfahrtsorte, beispielsweise Aufkirchen am Starnberger See, wo eine strahlende Madonna Liebe und zarte Fröhlichkeit verströmt. In der Gnadenkapelle von Altötting aber darf jeder wieder seine Kraft in sich entdecken, die in ihm verloren gegangen ist durch übergroßes Leid. Und die Gnadenkapelle dort ist ein heiliger Ort seit ältester Zeit, wo es hinter dem Schmerz, also jenseits von Leid, immer noch einen Himmel gibt, der die Schönheit der göttlichen Schöpfung aufbewahrt hat. Vielleicht für dich. Und auch für mich.
Gert Gröper, 12.11.2015
Mailanschrift: gert.groeper@gmx.de
Buch von Gert Gröper: „Heilarbeit mit dem feinstofflichen Körper“. ISBN: 978-3-7375-0253-5.