„Willst Du Recht haben, oder glücklich sein?“
von Claudia Sieber Bethke -
Diese Frage von Marshall Rosenberg („Gewaltfreie Kommunikation, Junfermann Verlag), lässt sich für den Einen oder Anderen nur schwer beantworten. Oft höre ich in diesem Zusammenhang die Gegenfrage „Geht denn nicht beides“?
Nach einigem abwägen, nachdenken, ausprobieren, wieder verwerfen, nochmal probieren, feststellen, lernen, erkennen, weiterprobieren wurde mir klar, dass das nur funktionieren kann, wenn ich verstanden habe, was „Recht haben“ für MICH bedeutet. Mir ist dabei bewusst geworden, dass die Aussage „Das weiß ich!“ sehr bedenklich ist. Wir sollten wirklich einmal „bedenken“, was wir da von uns geben, wenn wir jemandes Aussage oder sogar Rat mit dieser Antwort „krönen“. Wann weiß ich denn, dass ich etwas weiß?!
Wenn ich es lebe oder erlebt habe!
Ansonsten haben wir nur davon gehört, bestenfalls darüber gelesen – aber viel darüber geredet! Aber wissen wir wirklich, wovon wir da reden? Wenn wir nicht wirklich zufrieden und glücklich mit unseren Lebensergebnissen sind, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass wir noch eine ganze Menge über das Leben und das Glück lernen müssen…
Unzufriedene Menschen versuchen oft zu beweisen, dass sie Recht haben. Sie vermitteln den Anschein, alles zu wissen. Und ihre Unzulänglichkeiten rechtfertigen sie mit „Pech“ oder „vorübergehende Panne des Universums“. Zudem ist an der angespannten Situation immer die mangelnde Einsicht des Anderen schuld – der einem einfach nur Recht geben müsste…
Doch der vehemente Versuch „Recht zu haben“ bedeutet lediglich, an alten Denkstrukturen oder Strategien festzuhalten. Es wird dabei übersehen, dass es aber auch genau die gewohnten, alltäglichen Denkweisen waren, die uns dahin gebracht haben, wo wir uns jetzt befinden. Wenn uns unsere derzeitige Situation gefällt, dann haben wir „Recht behalten“ – wenn nicht, stimmt etwas mit unserer Strategie nicht – auch wenn wir der Meinung sind, dass wir „Recht haben“…
Es gibt hierzu einen tiefgründigen Leitsatz von Paul Watzlawick: "Wenn du immer wieder das tust, was du schon immer getan hast, dann wirst du immer wieder das bekommen, was du schon immer bekommen hast.“ Es hat was von Engstirnigkeit und Dummheit, immer wieder das Gleiche zu tun und dabei immer unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten. Wir sitzen vor dem Fernseher und amüsieren uns köstlich über die Einfältigkeit von Homer Simpson, der sich immer wieder an der heißen Herdplatte verbrennt, ohne dass er einmal auf die Idee kommt, diese einfach nicht zu berühren, wenn sie angeschaltet ist! Und dann gehen wir in unseren Alltag, und fragen uns, warum uns „immer wieder das Gleiche“ passiert! Wir begegnen unserer höchstpersönlichen heißen Herdplatte, handeln immer gleich und fragen uns, warum wir uns schon wieder daran verbrannt haben! Und finden das alles andere als amüsant…
Wenn wir etwas verändern wollen, dann brauchen wir neue Strategien, neue Denkweisen, eine neue Art zu handeln! Darum ist es unbedingt erforderlich, dass wir immer weiter lernen. Doch wenn wir glauben, alles schon zu wissen, dann erkennen wir auch nicht die Notwendigkeit, etwas Neues zu lernen. Und so blockieren wir unsere natürliche Neugier. Und genau die brauchen wir, um uns zu entwickeln! War es nicht schon in unserer Kindheit so, dass es leicht war, etwas zu lernen, wenn uns der Inhalt der Lerneinheit interessiert hat? Wenn wir neugierig waren, wie „es“ funktioniert oder wie „es“ weitergeht. Und wie sehr haben uns die Motivationssätze unserer Eltern blockiert, wenn es um die Schule ging! Sie bestanden darauf, dass wir endlich glauben und annehmen, sie wüssten schon wovon sie reden. Es war ein ungeschriebenes aber oft ausgesprochenes Gesetz – sie hatten immer Recht! Dies war eine unumstößliche Lerneinheit in unserem Erziehungsprogramm - und wenn der Kuchen sprach, hatten die Krümel Pause! Wir hörten Sätze wie „Du musst doch nur lernen!“ oder noch besser „Du musst doch nur zuhören!“, gefolgt von einer langatmigen Unterhaltung der Eltern beim Abendessen über die fürchterliche Weiterbildung, die der Chef in der Arbeit angesetzt hat und die Überlegung, ob man morgen nicht lieber zuhause bleibt, weil man sich den „Schmarrn“ nun wirklich nicht antun möchte.
Und dann kam noch die Steigerung „Du musst doch nur fragen!“. Was machten unsere Eltern, wenn sie unserer Meinung nicht interessierte und sie unser Verhalten nicht mehr verstanden? Sie fragten uns nicht nach unserer Intentionen, sie pochten auf ihr Recht! Doch wie war das, wenn uns der Inhalt des Biologieunterrichts absolut nicht interessierte?! Wenn wir in unserem pubertären Wachstumsstadium die Meinung vertraten „ich weiß schon alles, ich muss mir den Schwachsinn nicht antun!“ Gekoppelt mit der vorbildhaften Einstellung unserer Eltern „Du wirst schon sehen, dass ich Recht hatte, mein Kind!“ lernen wir schnell, was uns für den Rest unseres Lebens blockieren wird. Halte an deinem Recht fest, ansonsten wirst du zum Krümel der Nation!
Es wäre um ein Vielfaches leichter gewesen, wenn man uns beigebracht hätte, wie man neugierig bleibt. Wenn man uns vormacht, wie interessant und spannend es sein kann, sich mit der eigenen Entwicklung auseinander zu setzen. Wie man einer Herausforderung begegnen kann, ohne den Mut zu verlieren. Neugier erhöht die Bereitschaft, sich zu bewegen. Bewegung ist Veränderung und Veränderung ist Wachstum. Und Wachstum steht für LEBEN. Eine Pflanze verändert sich, sie wächst wenn sie lebt. Die Natur hat das so vorgesehen. Bei uns Menschen ist das genauso, wenn wir nicht wachsen, sterben wir – zuerst innerlich.
Doch wie können wir uns verändern und wachsen? Durch neue Situationen, neue Begegnungen, neue Denkweisen und neue Glaubensätze! Alles schön und gut, aber was ist, wenn wir durch unsere bisherigen Erfahrungen einfach viel zu viel Angst haben, Veränderungen zuzulassen oder neue Erfahrungen zu machen. Dann kommt von irgendwoher die magische Aussage von jemandem, der sich damit auskennt und bestimmt Recht hat.
Du musst doch „einfach nur“ loslassen…
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich kann diesen Satz nicht mehr hören oder lesen. Ich habe bei meinen Recherchen noch keine für mich verständlich Erklärung gefunden, wie das eigentlich wirklich funktioniert! Also habe ich versucht, die kaum greifbare Strategie des Loslassens einmal zu hinterfragen. Wieder habe ich gelesen, ausprobiert, bin gescheitert, habe es erneut gewagt, wieder verworfen und dabei immer versucht zu verstehen, was während des Prozesses geschehen ist…
Wenn Sie wissen wollen, wie ich das angestellt habe und was dabei rauskam, dann lesen sie nächste Woche hier bei ViGeno weiter.
Herzlichst Claudia Sieber Bethke