Wer kennt nicht die vielzitierten Aussagen vieler Führungskräfte "Nicht gemeckert, ist gelobt genug!" oder auch "Solange ich nichts sage, ist alles in Ordnung!".Wir alle wissen, dass dieses Verhalten in unserer Gesellschaft schon fast normal ist, im Sinne von, dass sich die meisten so verhalten.
Dass dieses Verhalten aber keineswegs richtig und erfolgsversprechend ist, darüber sind sich in der Zwischenzeit alle Verhaltenspsychologen und Führungsspezialisten einig.
Lob und Tadel!
von Clemens Maria Mohr
Warum so viel getadelt wird in unserer Gesellschaft hat vielfache Gründe. Zum einen sind wir auch durch die Presse sehr darauf konditioniert, immer nur das Negative, immer nur die Probleme zu sehen.
Denken wir nur an den großen Negativgehalt unserer normalen Nachrichtensendungen. Somit ist es also ganz natürlich, dass auch jeder einzelne sich zunächst einmal auf die Negativpunkte bei anderen Menschen konzentriert und somit logischerweise gar nichts findet, was er loben kann.
Zum anderen lernen wir alle durch Imitation, durch Nachahmung und Führungskräfte ahmen ihre eigenen ehemaligen Führungskräfte oder aber auch ihre Eltern nach. Und ehrlicher Weise müssen wir zugeben, dass diese Vorbilder in der Regel nicht gerade Profis im Loben waren.
Zum dritten ist uns häufig aber auch peinlich zu loben, so dass wir unsere Mitmenschen eher vor dritten als sie selbst loben.
Darüber hinaus haben wir alle nicht gelernt, Lob anzunehmen. Wenn uns jemand lobt, führt das entweder dazu, dass wir dieses Lob abtun, es als selbstverständlich bezeichnen, anstatt schlicht und ergreifend "Danke!" zu sagen. Und oftmals haben wir sogar Hintergedanken, wenn uns einer lobt, so nach dem Motto 'Der will jetzt bestimmt was von mir.'. Dabei ist häufiges regelmäßiges Loben für uns Menschen geradezu lebenswichtig.
Man weiß aus der modernen Psychologie, dass Anerkennung und Lob ein wichtiger Faktor der sogenannten sozialen Grundbedürfnisse sind, also dessen, was uns im Zusammenleben mit anderen Menschen als wichtig erscheint. Wird dieses Lob nicht gespendet, so führt das häufig zu Problemen mit den anderen oder auch mit sich selbst.
Zu Problemen mit den anderen führt es aus folgendem Grund: Jede Art der Kommunikation läuft auf zwei Ebenen, zum einen spricht man über ein Thema, über irgendeine Sache. Diese Ebene nennt man die sogenannte Sachebene. Jede Kommunikation läuft aber auch zwischenmenschlich auf der sogenannten Beziehungsebene. Es gibt keine Kommunikation, wenn sie auch nur über Telefon, Brief, Fax oder e-mail geht, die nicht auch diese zwischenmenschliche Beziehungsebene beinhaltet. Und es gibt eine ganz wichtige Regel: Sobald und solange diese Beziehungsebene gestört ist, läuft auf der Sachebene gar nichts. Und diese Beziehungsebene wird zum Beispiel gestört durch häufige Kritik. Wenn die einzige Rückmeldung, die ich von einem Menschen bekomme, immer nur negative Bewertungen meiner Tätigkeiten sind, wird das logischerweise dazu führen, dass die Beziehung zwischen uns gestört ist. Und somit kann die Sachebene wiederum nur sehr schwer oder eben gar nicht funktionieren. Dies sehen wir häufig, wenn durchaus plausible Argumente von anderen abgelehnt werden, nicht der Argumente, sondern des Überbringers wegen.
Regelmäßiges, häufiges Lob jedoch führt dazu, dass diese Beziehungsebene gekräftigt, gestärkt wird. Dann kann man auch mal ein kräftiges Donnerwetter loslassen, wenn mal etwas nicht funktioniert hat. Wenn jedoch diese Negativkritik die einzige Rückmeldung ist, wird es natürlich problematisch.
Zu Problemen mit uns selbst führt allzuviel Kritik dadurch, dass wir Menschen unser Selbstbild natürlich auch aus dem Feedback unserer Mitmenschen heraus bilden. Und wenn wir nun sehr viel Kritik, sehr viel Negativrückmeldung bekommen, wird sich das natürlich auf unser Selbstbild auswirken und wir kommen vielleicht irgendwann zu der Erkenntnis, dass wir ja gar nichts gut machen, dass wir immer nur Fehler machen oder wir sicher selbst zu gar nichts kommen. Dieses Selbstbild wiederum ist aber entscheidend für unser gesamtes Leben, denn das Selbstbild steuert unser Verhalten, steuert unsere Wahrnehmung und alle Prozessen in der Kommunikation mit anderen Menschen.
Häufiges Lob hingegen kann uns helfen ein positives Selbstbild zu entwickeln und somit auch positive Verhaltensweisen zu entwickeln, die dann auch zu positiven Ergebnissen führen können.
Es gibt hierzu ein hochinteressantes Experiment aus Amerika. An einer Schule hat man zwei Klassen der gleichen Altersstufen zu einem Experiment zum Thema Lob und Tadel herangezogen. Die Lehrer der ersten Klasse wurden angehalten, wie üblich, immer nur die Negativpunkte herauszustellen und sie zu kritisieren. Die Lehrer der zweiten Klasse wurden angewiesen, nicht die Negativbereiche zu fixieren, sondern sich auf die positiven Dinge also auf die Dinge, die die Schüler richtig machen, zu konzentrieren. Bereits nach wenigen Wochen gab es eklatante Unterschiede zwischen den Leistungen der beiden Klassen. Die Lob-Klasse hatte ihre Leistungen signifikant verbessert, wobei die Tadel-Klasse dagegen weit zurück blieb.
Dieses Phänomen ist natürlich auch eins zu eins in unser tägliches Leben zu übertragen. Ob im privaten Bereich, also in der Partnerschaft, in der Familie oder unter Freunden sowie eben auch im beruflichen Bereich, zwischen Kollegen, zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern aber auch beim Parteienverkehr kann ein häufig ausgesprochenes Lob die Kommunikation deutlich verbessern, kann langfristig die Beziehungsebene zwischen den betroffenen Personen stärken und somit auf beiden Seiten zum positiven Miteinander führen.
Deshalb gilt der Grundsatz: 'Mehr Lob, weniger Tadel!'
Ihr Clemens Maria Mohr