Glück: Das Superfrau-Syndrom.
von Bodo Deletz -
In der Psychologie gibt es ein Phänomen, das man Superfrau-Syndrom nennt. Superfrauen fühlen sich verpflichtet, auf tausend Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen - und das mit aller größter Perfektion! Sie müssen perfekte Ehefrauen, perfekte Mütter, perfekte Liebhaberinnen und perfekte beste Freundinnen sein, einen vollkommenen Körper besitzen, permanent glücklich, fröhlich, zufrieden und liebevoll sein, eine Bilderbuchkarriere hinlegen, eine perfekte Gesundheit und Jugendlichkeit vorweisen, dafür sorgen, dass es jedem Menschen, der sich in ihre Nähe aufhält, gut geht, den Hunger in der Welt abstellen, Kriege verhindern, die Welt retten.
(Dieses Syndrom gibt es natürlich auch bei Männern. Es hat jedoch nicht die Bezeichnung Superman Syndrom erhalten, weil diese Bezeichnung bereits für Männer mit XYY Chromosomen verwendet wird.)
Das Superfrau-Syndrom ist keine neurologische oder genetische Störung. Es ist eine erlernte Lebenseinstellung und fungiert im Gehirn als Beurteilungsmaßstab dafür, wann man sich positiv beurteilen kann und wann nicht. Es versteht sich von selbst, dass es mit diesem Beurteilungsmaßstab sehr leicht ist, sich selbst negativ zu beurteilen und dadurch unglücklich zu fühlen und sehr schwer, sich positiv zu sehen und dadurch ein gutes Gefühl zu sich selbst aufrecht zu halten. Dieses Syndrom führt in der Regel zu Burnout, Depressionen und Stress bedingten körperlichen und neurologischen Erkrankungen.
Natürlich haben wir Gründe dafür, warum wir Superfrauen oder Supermänner sein wollen oder glauben, sein zu müssen. Leider ist der Schriftweg wieder einmal zu begrenzt, um auf diese Gründe ausführlich einzugehen. (In meiner Akademie werden diese Gründe jedoch sehr ausführlich erörtert und in Ordnung gebracht.) Daher hier nur kurz:
Manchen Superfrauen/männern wurde die Perfektion als Beurteilungsmaßstab von ihren Eltern oder ihrem Umfeld anerzogen. Für diese Menschen ist es recht einfach, den Maßstab des Umfelds abzulegen und stattdessen einen eigenen sinnvolleren Beurteilungsmaßstab anzunehmen.
Sollte dies bei dir der Fall sein, dann mach dir wiederholt klar, dass der Superfrau/mann-Maßstab tatsächlich in jeder Hinsicht schlecht ist. Wenn du spürst, dass du daran nicht festhalten willst, dann überlege dir für die verschiedenen Lebensbereiche einen vernünftigen Maßstab, wann du gut bist und wann nicht. Einen Maßstab, der es dir leicht macht, dich glücklich und schwer, dich unglücklich zu fühlen.
Wie musst du beispielsweise als Beziehungspartnerin sein, damit du eine gute Partnerin bist? Wie musst du als Freundin sein? Wie als Mutter? Wie muss dein Körper sein? Wie deine Gesundheit? Wie erfolgreich musst du sein?
Die Antworten auf diese Fragen müssen für dich stimmig sein. Jeder hat hier andere Anforderungen an sich selbst, sodass man nicht pauschal sagen kann, was hier richtig oder falsch ist. Wichtig ist nur, dass dein Maßstab es dir leicht macht, dich glücklich und schwer, dich unglücklich zu fühlen.
Die meisten Superfrauen/männer haben ihren überzogenen Beurteilungsmaßstab für sich selbst jedoch nicht von den Eltern oder dem Umfeld übernommen, sondern sich willentlich dazu entschieden, weil sie damit etwas erreichen wollten. In der Regel geht es bei Frauen dabei ums Geliebt- oder Gemochtwerden und bei Männern um den Status. Hier gestaltet sich das Loslassen von den übertriebenen Maßstäben bei Frauen und Männern deutlich schwieriger.
Sollte dies bei dir der Fall sein, dann mach dir wiederholt klar, dass der überzogene Maßstab dich unglücklich und krank macht und in keinster Weise sinnvoll ist. Selbst, wenn du dein unerreichbares Ziel erreichen könntest, würde es noch Nachteile bringen, denn Menschen empfinden es als unangenehm, wenn sie in etwas schlechter sind als die anderen. Richtig übel ist es, wenn man in allen Bereichen schlechter ist als die anderen.
Wenn du jetzt immer und überall die/der Beste bist, werden sich andere in deiner Gegenwart automatisch schlecht fühlen. Sie werden dich zwar toll finden, aber letztendlich dennoch instinktiv deine Gegenwart meiden, weil es ihnen nicht gut tut. Dem Ziel, geliebt oder gemocht zu werden, wird dadurch zuwider gearbeitet. Alle finden dich toll, und keiner kann dich leiden!
Viele Menschen werden dich aus Selbstschutz angreifen und vom Sockel stoßen wollen, damit sie ihren eigenen Status oder ihr Wertgefühl dem deinen nicht unterordnen müssen. Du wirst also ständig angegriffen, obwohl du niemandem etwas getan hast und musst dich überall behaupten.
Glücklicherweise wirst du jedoch dein Ziel, Superfrau/mann zu werden, niemals wirklich erreichen, denn dein überzogener Maßstab verhindert das von selbst.
Mach dir also so lange klar, dass dein überzogener Maßstab tatsächlich schlecht ist, bis du es fühlen kannst und du bereit bist, sinnvollere Maßstäbe zu definieren. Dann gehe vor, wie oben bereits beschrieben. Definiere deine Beurteilungskriterien so, dass sie es dir leicht machen, dich selbst positiv und schwer, dich negativ zu beurteilen.
Da das Superfrau Syndrom nur ein Beispiel dazu darstellt, möchte ich diese Vorgehensweise etwas allgemeiner halten. Ziel ist es, die Gründe für Negativbeurteilungen in deinem Leben ganz allgemein zu reduzieren, und die Gründe für Positivbeurteilungen in allen Lebensbereichen zu vermehren. Ich erinnere noch einmal daran, dass deine Beurteilungskriterien, welche für diese Gründe verantwortlich sind, allesamt von dir frei gewählt sind und jederzeit geändert werden können.
Der Klarheit zu liebe möchte ich dazu einige gute und schlechte Beispielkriterien benennen. Ich bitte dich jedoch, dabei zu bedenken, dass diese Kriterien für dich vermutlich nicht passen werden, da hier jeder seine eigenen Kriterien aufstellen muss. Die nachfolgenden Beispiele sollen daher nur Anregungen darstellen.
- Wann bin ich ein guter Freund? Schlecht: Wenn ich immer für meine Freunde da bin und ihr Wohl über
meines stelle. Besser: Wenn ich meine Freunde mag und mir ihr Wohl wichtig ist.
- Wann bin ich ein guter Beziehungspartner? Schlecht: Wenn ich nur dafür lebe, dass es meinem Partner
gut geht. Besser: Wenn ich meinen Partner liebe und wir im täglichen Leben gut zusammen passen.
- Wann bin ich gesund? Schlecht: Wenn es nichts gibt, was nicht hundertprozentig in Ordnung ist.
Besser: Ich bin gesund, solange keine lebenswichtigen Körperfunktionen versagen.
- Wann bin ich attraktiv? Schlecht: Wenn mein Körper, meine Haut, mein Gesicht und mein Charakter
perfekt sind. Besser: Wenn ich auf Menschen treffe, die mir sympathisch sind. (Dieses Kriterium ist auf
den ersten Blick nicht zu verstehen, aber wahr. Ich habe dieses Thema vor einigen Jahren in den
Glückstipp-Beiträgen „Wie finde ich den Richtigen?“ verarbeitet.)
- Wann ist mein Überleben gesichert? Schlecht: Wenn ich genug Geld habe, dass es für die nächsten 50
Jahre locker reicht, und wenn dieses Geld absolut krisensicher angelegt ist. Besser: Solange die
Menschen in diesem Land genug zu essen haben, ist mein Überleben gesichert.
- Wann bin ich ein lebensfroher Mensch? Schlecht: Wenn mein Leben total schön ist. Besser: Wenn ich
mich an den schönen Dingen des Lebens erfreuen kann, obwohl es nicht jeden Tag schön ist.
- Wann bin ich glücklich? Schlecht: Wenn alles perfekt läuft und es in meinem Leben keine Probleme
mehr gibt. Besser: Wenn ich genauso häufig glückliche Gefühle habe wie der Durchschnitt der
Bevölkerung. (57 Prozent der Bevölkerung bezeichnet sich als glücklich und 5 Prozent als unglücklich)
Sehr glücklich bin ich, wenn ich häufiger glückliche und seltener unglückliche Gefühle habe als der
Durchschnitt der Bevölkerung.
- Wann ist mein Leben in Ordnung? Schlecht: Wenn es nirgendwo Probleme gibt und alles super läuft.
Besser: Wenn ich genug zu essen, ein warmes Dach über dem Kopf habe und sozial eingebunden bin.
Alles, was darüber hinausgeht, ist mehr als in Ordnung und damit jedes Mal ein Grund zur Freude.
- Wann bin ich ein guter Liebhaber? Wenn ich beim Sex zum Orgasmus komme. (kleiner Scherz! :-))
Wie gesagt muss hier jeder seine eigenen Kriterien aufstellen. Sie müssen für dich und nur für dich
stimmig sein. Wenn du es schaffst, alle Beurteilungskriterien für alle Bereiche deines Lebens auf diese
Weise zu vereinfachen, wird es für dich sehr leicht sein, glücklich, und sehr schwer, unglücklich zu sein.
Du wirst ständig Gründe haben, dich glücklich zu fühlen und nur noch sehr selten Gründe zum
Unglücklichsein.
Dies ist natürlich keine Aufgabe, die man mal so nebenbei bewältigen kann. Sie ist zwar nicht sehr schwierig, erfordert jedoch einen gewissen Aufwand. Zur Motivation gebe ich zu bedenken, dass man es ohne die Korrektur seiner Beurteilungskriterien nicht schaffen kann, ein wirklich erfüllendes und glückliches Leben zu führen, da man ständig Gründe fürs Unglücklichsein schafft und nur selten welche fürs Glücklichsein.
Die Natur hat uns mit einem unglaublich komplexen und leistungsfähigen Gehirn beschenkt, das uns in Bezug auf die Verarbeitung von Ereignissen und Umständen eine schier unendliche Fülle an Möglichkeiten bietet. Die Beurteilungskriterien, die ich in diesem Kursbeitrag ansprechen wollte, sind nur ein Eckpfeiler von vielen, der unsere Gefühle bestimmt. Leider hat die Natur bei unserer Evolution vergessen, eine Bedienungsanleitung für unsere Gefühle mitzuliefern.
Es hat mich mehr als dreißig Jahre gekostet, diese Bedienungsanleitung unter Einbeziehung der Neurobiologie, der Psychologie und bewährter Methoden aus dem Coaching-Bereich zu erstellen und im Rahmen meiner Bodo Deletz Akademie zu einer 52-wöchigen Selfcoaching-Ausbildung zusammen zu fassen.
Mein Anspruch an dieses Konzept ist aufgrund der Erfolge meiner Teilnehmer mit den Jahren immer mehr gewachsen. Zu Anfang hätte mein heutiger Beurteilungsmaßstab mir sicherlich keine Glücksgefühle beschert, sondern mich maßlos überfordert. Heute traue ich mich zu sagen, mein Selfcoaching-Konzept ist dann gut, wenn es motivierten Teilnehmern auf einfache und leichte Weise ermöglicht, sich selbst zu den glücklichsten Menschen auf dieser Welt zu entwickeln.
Herzliche Grüße
Bodo Deletz (alias Ella Kensington)