Erste Schritte zum persönlichen Selbstausdruck.
von Bärbel Mechler -
Ich habe schon umfangreich über Kommunikation mit psychopathischen Menschen geschrieben. Und Betroffene wissen, dass diese eine ganz individuelle Herangehensweise erfordert, die mit nichts zuvor Erlebtem zu vergleichen ist.
Doch heute möchte ich einmal mit Ihnen über die eigenen Kommunikationsmuster reflektieren, die Sie bei Ihren Mitmenschen anwenden. Vielleicht sollte man meinen, dass wir Menschen aufgrund Jahrtausende langer Kommunikationserfahrung automatisch über hohe soziale Kompetenzen verfügen, aber das ist weit gefehlt. In Wirklichkeit sind wir noch immer in erstarrten und verkrusteten Formen verhaftet.
Und genau dieser Umstand verbietet uns den lang ersehnten und verständnisvollen Austausch untereinander. Ein wesentlicher Bestandteil gelungener Kommunikation ist der persönliche Selbstausdruck. Aber was ist damit gemeint?
Vielleicht kann man diese Frage am verständlichsten mit einer Gegenfrage verdeutlichen: Was ist das Gegenteil von Selbstausdruck? Denn das ist einfach zu beantworten. Je weniger wir wir selbst sind, desto mehr gestalten sich unsere Verhaltensmuster wie Reflexe.
Bevor der Verstand zum Einsatz gelangt, ist die Reaktion schon vollzogen. Reflexe können beispielsweise Ängste, die aus dem emotionalen Schmerzkörper aufsteigen oder aber auch konditionierte Verhaltensmuster oder Glaubenssätze sein, wie z.B. immer anderen alles recht machen zu wollen, nicht nein sagen zu können, in den Köpfen anderer zu leben, usw. Kein Wunder also, dass oft nur Chaos entsteht, wenn zwei oder mehr Menschen mit diesen unausgereiften Mustern aufeinandertreffen.
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass die wenigsten auch in vollkommen belanglosen Situationen nicht imstande sind, sich eindeutig auszudrücken und für ihre Bedürfnisse offen einzustehen? Wir wünschen uns zwar gesehen, respektiert und verstanden zu werden, doch legen wir selbst oft genug ein höchst ambivalentes Verhalten an den Tag, das uns genau das Ersehnte verbietet. So entstehen vollkommen unnötig die haarsträubendsten Geschichten.
Sie kennen beispielsweise bestimmt solche Situationen, wo jemand etwas von Ihnen haben möchte, aber das nicht einfach formulieren kann. Dann beginnt ein definiertes und grotesk anmutendes Rollenspiel.
Natürlich ist jedem von vornherein klar, was gespielt wird, aber fast niemand kann sich dieser Dynamik entziehen. So ist am Ende der Beschenkte der Großzügige und der Gebende verliert sich in Rechtfertigungen und wird oft genug noch zum Bittsteller herabgestuft.
Ich gebe Ihnen einmal zwei Beispiele aus dem ganz normalen Alltag, die Sie selbst in ähnlicher Weise sicherlich schon unzählige Male erlebt oder auch selbst kreiert haben.
„Ach, ich bin heute ohne Auto da und muss zu Fuß nach Hause gehen.“
„Das macht nichts, ich fahre dich.“
„Nein, lass, ich geh zwar nicht gerne im Dunkeln, aber ich möchte dich nicht bemühen.“
„Das macht mir keine Mühe, wirklich nicht, ich fahre dich gerne.“
„Das kann ich nicht annehmen, du hast doch so viel zu tun.“
„Nein, ich schaffe das schon, du weißt ja, mir geht alles schnell von der Hand.“
„Gut, wenn du unbedingt willst, dann fahre mich eben.“
Oder
„Hast du aber eine schöne Kette, genau so eine suche ich schon lange.“
„Du kannst sie gerne haben, ich trage sie nicht oft.“
„Nein, das kann ich auf keinen Fall annehmen, die war bestimmt teuer.“
„Nein wirklich, du kannst sie haben, es macht mir nichts aus.“
„Aber Morgen ärgerst du dich vielleicht darüber, dass du sie nicht mehr hast.“
„Nein wirklich, ich habe schon öfter etwas verschenkt, und mich nie danach geärgert.“
„Na gut, dann nehme ich sie halt, dass du zufrieden bist.“
Bei den meisten Menschen werden diese Spielchen sogar erwartet, obwohl sie doch für alle Seiten anstrengend, und wie ich finde unwürdig, sind.
Ich persönlich habe mir deshalb erlaubt, von diesen unbefriedigenden Modellen Abstand zu nehmen und bevorzuge es, meinen Gesprächspartner und mich selbst ernst zu nehmen. Wenn ich also etwas anbiete, dann informiere ich ihn rechtzeitig, dass ich zwar bereit bin, mich von einer Sache gerne zu trennen, mich aber deshalb nicht als Opfer geistloser Dialoge zur Verfügung stelle. Ein ja oder nein genügt vollkommen, um die Angelegenheit zu klären.
Doch anstatt sich darüber zu freuen, respektvoll behandelt zu werden, fühlen sich fast alle zunächst wie vor den Kopf gestoßen und lehnen das Angebot ab, weil sie keine Übung darin haben, für die eigenen Bedürfnisse einzustehen. Vielmehr haben sie Angst, als unhöflich oder egoistisch angesehen zu werden.
In solchen Fällen gehe ich nicht auf das Gesagte ein, und gebe stattdessen eine zweite Chance, indem ich sage, dass ich die gleiche Frage gleich noch einmal wiederholen werde, und mir sehr wohl bewusst bin, was ich tue. Und ich teile ihnen mit, dass sie mein Angebot gerne als Übung verstehen dürfen, aufrecht und eindeutig für sich einzustehen. Wenn ich dann also noch ein letztes Mal nachfrage:
„Möchtest du das haben?“, dann höre ich immer ein klares und begeistertes Ja. Am Ende weiß ich nicht, über was sie sich eigentlich mehr freuen - über das Geschenk oder über die erlebte innere Freiheit, die sie regelrecht zu beflügeln scheint Denn sie bedanken sich immer für beides von Herzen. Und mal ehrlich, wir sind doch alle froh, wenn uns jemand eine Freude macht, was soll dann immer dieses ganze Theater?
So möchte ich auch Sie einladen, zunächst in solch ganz belanglosen Situationen den eigenen Selbstausdruck zu üben. Sie können nichts verlieren, aber viel dabei gewinnen. Und Sie werden sehen, wenn Sie einmal damit begonnen haben, möchten Sie nie wieder damit aufhören. Und wenn Sie mit der Zeit mehr Übung darin erlangt haben, fällt es Ihnen leicht, das Gelernte auf andere Situationen zu übertragen.
So lange Sie daran glauben, dass es die anderen sind, die Sie bedienen müssen, so lange geben Sie Ihre eigene Würde und Ihr Glück aus den Händen und werden wieder und wieder enttäuscht werden.
Entschließen Sie sich deshalb für einen Schritt in die eigene Richtung und genießen Sie die Befreiung, sich selbst Ihr bester und treuester Freund zu sein.
Herzlichst
Bärbel Mechler
Begrifflichkeit Psychopath
Den Ausdruck Psychopath benutze ich als Überbegriff im umgangssprachlichen Gebrauch für Menschen mit der psychopathischen Charakterstruktur, aber auch ganz allgemein für all jene mit starkem antisozialem Verhalten. Er ist keine Diagnostik im medizinischen Sinne.
Von Psychopathen umgeben -
Wie Sie sich erfolgreich gegen schwierige Menschen zur Wehr setzen.
erschienen im Mankau-Verlag