Bewusstsein: Entschuldigen Sie sich auch immer?
von Bärbel Mechler -
Gehören Sie auch zu den Menschen, die sich sehr schnell für alles entschuldigen?
Mir fällt in Gesprächen immer wieder auf, dass sich viele Menschen für Dinge entschuldigen, für die es gar nichts zu entschuldigen gibt. Dieses Verhalten ist in unserer Gesellschaft sogar weitläufig etabliert. Sicherlich wird das Wort Entschuldigung gerne als Höflichkeitsgeste eingesetzt und beruht größtenteils auf falsch verstandene Wertschätzung oder anerzogenen Automatismen.
Unsere Aufmerksamkeit sollte sich aber einmal darauf fokussieren, was dieses Verhalten unmerklich mit uns macht. Denn bei allem, was wir tun oder sagen, hört unser Unterbewusstsein sehr aufmerksam zu und registriert bereits die kleinsten Signale und Botschaften. Sich entschuldigen zu müssen heißt deshalb nichts anderes, als zuvor Schuld auf sich geladen zu haben. Und dies ist mit Blick auf unsere internalisierten Erziehungsmuster nichts Gutes. Schuld zu sein heißt zum einen eine Last mit sich zu tragen, und verstärkt zum anderen den Glaubenssatz, nicht gut genug zu sein. Das sind Eindrücke, die uns klein halten und uns unserer eigenen Kraft berauben.
Wenn wir beispielsweise eine alte Dame versehentlich anrempeln, entspricht es unserer gesellschaftlichen Konvention, ein höfliches „Entschuldigung, das tut mir Leid“ zu sagen. Und das ist natürlich ganz in Ordnung so. Aber solche Fälle sind eben eher die Ausnahme.
In aller Regel entschuldigen wir uns im persönlichen Umfeld häufig und unangemessen. Z.B. „Entschuldige bitte, dass ich das Handy nicht gehört habe, aber hier war es so laut“. Oder: „Entschuldige bitte, dass ich deine Nachricht erst heute beantworten kann, aber ich war unterwegs“ usw. Warum sollen wir uns für etwas entschuldigen, das wir gar nicht anders hätten machen können oder auch machen wollen?
Klienten, die ihr Entschuldigungs- Verhalten extrem ausgebildet haben, gebe ich gerne eine Aufgabe, nämlich das Wort Entschuldigung ganz aus Ihrem Wortschatz zu streichen, dafür aber einen qualitativ hohen Selbstausdruck zu finden. Das könnte folgendermaßen aussehen:
Bei Bagatellen, wie Handy nicht gehört, reicht eine einfache Feststellung „Ich habe es nicht gehört“ und fertig.
Anstelle von: „Entschuldige, dass ich vorhin so gereizt war“, könnte man auch sagen: „Ich war vorhin ganz daneben. Aber ich möchte mich künftig dir gegenüber so verhalten, wie du es verdient hast, weil du für mich ein ganz wertvoller Mensch bist“.
Oder anstelle von: „Tut mir Leid, dass ich zu spät dran bin“, könnte man auch sagen: „Ich habe manchmal Probleme mit einem guten Zeitmanagement. Mein Zuspätkommen soll mir für die Zukunft aber Ansporn sein, das in den Griff zu bekommen. Ich danke dir für deine Geduld mit mir“.
Wenn wir, statt uns in Schuld zu setzen, lieber über die eigenen Prozesse reflektieren und nach Lösungen, bzw. Veränderungen Ausschau halten, haben wir große Chancen unsere unerwünschten Eigenschaften viel schneller zu transformieren. Und nebenbei halten wir unsere Kraft zusammen und verschleudern sie nicht mit vollkommen unangemessenen und schwächenden Selbstbeschränkungen. Probieren Sie es aus, es tut unglaublich gut.
Herzlichst
Bärbel Mechler
Von Psychopathen umgeben -
Wie Sie sich erfolgreich gegen schwierige Menschen zur Wehr setzen.
erschienen im Mankau-Verlag