Bewusstsein: Stehen andere in unserer Schuld?
von Bärbel Mechler -
Wir haben im letzten Artikel über das eigene Entschuldigungsverhalten reflektiert. Nun möchte ich Sie aber auch einladen, einmal darüber nachzusinnen, welche Erwartungen Sie persönlich bezüglich Entschuldigungen an Ihre Mitmenschen haben. Glauben Sie daran, dass andere Ihnen irgendetwas „schulden“?
An dieser Stelle gilt es sicherlich erst einmal zu differenzieren: Was jedem Menschen grundsätzlich zusteht, ist sein unantastbares Recht auf seine Würde. Dafür einzustehen, es zu verteidigen oder einzufordern hat nichts mit Egoismus oder falsch verstandenen Erwartungen zu tun, sondern ist die Voraussetzung eines gesunden gemeinschaftlichen Lebens.
Wenn aber Erwartungen dahingehend hinauslaufen, dass wir andere beispielsweise für unser Glück, unsere Zufriedenheit u.v.m. in die Pflicht nehmen, geben wir die Verantwortung für unser Leben und unsere Gefühle nach außen in fremde Hände.
Und dann erwarten wir auch noch, dass jene uns genau das geben, was wir uns selbst nicht geben können oder wollen. Ansonsten gibt es sicherlich keinen Grund, sich so ungeschützt auszuliefern.
Weil aber die anderen damit überfordert sind und selbst dann, wenn sie es wollten, uns nicht nach unseren individuellen Vorstellungen „bedienen“ können, geben wir ihnen die Schuld daran, dass es uns schlecht geht. Doch dieser Rückschluss ist falsch. Die anderen verhalten sich bei genauerem Betrachten nicht gegen uns, sondern benehmen sich lediglich so, wie sie nun einmal in ihrem Innersten sind.
Werden Sie beispielsweise belogen, dann werden Sie vielleicht sauer und interpretieren dies als einen Vertrauensbruch, den Sie nicht verdient haben, und fühlen sich schlecht und setzen den anderen in Schuld.
In Wirklichkeit sieht, wie gesagt, die Sache aber anders aus. Ihr Gegenüber lügt deshalb, weil er mit der Wahrheit Probleme hat. Vielleicht hat er Angst vor Nachteilen, Angst vor Vorhaltungen oder Konsequenzen, vielleicht ist er nur nicht stark genug für seine Vorstellungen einzustehen, oder er glaubt sich mit Fabulieren aufwerten zu können usw.
Was immer er für Gründe hat, sie entstehen aus seinem eigenen Mangel. Das hat nichts mit Ihnen zu tun, und kann deshalb nicht als eigene Abwertung eingestuft werden. Sprechen Sie Ihr Gegenüber innerlich frei, aber korrigieren Sie Ihr Bild von ihm dahingehend, dass Sie nicht mehr zwingend mit der Wahrheit rechnen dürfen. Auf diese Weise übernehmen Sie die Verantwortung für Ihre Würde und Ihre Gefühle und lassen den anderen da, wo er ist.
Und selbstverständlich können Sie dies auch offen kommunizieren, in dem Sie beispielsweise bei wiederholtem oder krassem Schwindeln sagen: „Ich sehe, dass Du Probleme hast, bei der Wahrheit zu bleiben.
Es ist ein bedauerlicher Mangel von Dir, deshalb werde ich ihn Dir auch nicht ankreiden. Habe aber bitte Verständnis dafür, dass ich Deine Äußerungen zukünftig nicht mehr als verlässlich einstufen kann und möchte.“
Mit solchen oder ähnlichen Worten können Sie sich entlasten und zeigen ein souveränes Verhalten, anstatt sich in Vorwürfen zu verlieren und sich damit noch selbst zu erniedrigen.
Fast auf alle Bereiche des Lebens können wir diese Haltung übertragen, denn wir selbst haben in erster Linie die Verantwortung für uns zu tragen.
Natürlich wünschen wir uns, von unseren Mitmenschen geliebt, gestützt und verstanden zu werden. Wir sehnen uns nach einem Zusammenleben, wo wir friedlich miteinander umgehen, uns gegenseitig unterstützen und füreinander sorgen.
Aber so weit ist die Menschheit leider noch lange nicht. Und das einzige, das wir dazu beitragen können, um eine neue Welt zu erschaffen, ist nicht weiterhin am Rad von Schuld und Fremdbestimmung zu drehen.
Denken wir lieber daran, dass wir die Aufgaben, die in unserem Lebensbuch stehen, selbstverantwortlich angehen und uns mit Glaube und Zuversicht den Herausforderungen stellen. Und je weniger Last wir auf die Schultern unserer Mitmenschen legen, desto lieber werden sie uns begleiten und uns zur Seite stehen.
Herzlichst
Bärbel Mechler
Von Psychopathen umgeben -
Wie Sie sich erfolgreich gegen schwierige Menschen zur Wehr setzen.
erschienen im Mankau-Verlag