Hilfe, ich bin im Mangel!
Oder: Mangel ist eine Chance!
von Carmen Piltz -
Mangel - Hilfe oder Chance?
Jeder kennt das Gefühl von Mangel, jeder hat Mangel, an der einen oder anderen Stelle, mal mehr, mal weniger. Mangel ist ein generelles Gefühl, dass einem etwas fehlt zum Glücklichsein oder Zufriedensein.
Das Gefühl von Mangel kann sich letztendlich auf alles Mögliche beziehen, auf Personen, Gegenstände, Gefühle, Atmosphären, Gespräche, Geld, Beziehungen, usw…
Mangel erkennen wir eindeutig daran, dass er uns unangenehme -man könnte auch sagen negative- Gefühle gibt.
Im Mangel kann man sich zum Beispiel traurig, genervt, neidisch, beschämt, unzufrieden, inkompetent, verzweifelt, verbittert, unsicher fühlen, je nach Art des Mangels und entsprechend der Persönlichkeit des betreffenden Menschen.
Auch aus eigener Erfahrung muss ich sagen, dass Mangel einen ziemlich runter ziehen kann.
Häufig ist es ja ein eher „latent waberndes“ Gefühl des Mangels, aber es kann natürlich auch plötzlich und ganz intensiv auftreten.
Beispielsweise, wenn man sich als Frau schon lange -bisher vergeblich- Kinder wünscht und einem die beste Freundin eröffnet, dass sie schwanger ist.
Oder man tut sich schwer mit seinem kleinen Gehalt, was man einfach nicht aufgestockt bekommt und erfährt, dass der Kollege eine dicke Prämie oder gar eine Beförderung erhalten hat.
In solchen Momenten kann Mangel schmerzen, einen vielleicht sogar aus der Bahn werfen oder für Schreikrämpfe sorgen. Das ist menschlich und absolut verständlich.
Interessant wird es aber dann, wenn man nach diesem „ersten Schock“, oder auch durchaus bereits aus dem Gefühl des Mangels heraus, beginnt zu überprüfen, was einem dieses Mangel-Gefühl eigentlich sagen will oder ausdrückt.
Und hier kann man beginnen, Mangel als Chance zu nutzen: Dass ein Mangel mich negativ berührt kann nur daran liegen, dass ich einen Wert, den ich begehre, noch nicht -oder nicht ausreichend- in meinem Leben kultiviert habe und aktiv lebe.
Zum Beispiel den Wert der Mütterlichkeit, den Wert der Partnerschaft, den Wert der materiellen Sicherheit, den Wert der Ordnung, den Wert der Unbeirrbarkeit oder den Wert des Selbstbewusstseins.
Und meiner Erfahrung nach drückt sich der Mangel umso stärker und heftiger aus, je mehr wir aus unserer Seele heraus den Wert, an dem es uns mangelt, begehren oder uns wünschen. Inmitten eines starken Mangel-Gefühls ist es natürlich schwierig, sich auf den Nutzen dieser Situation zu konzentrieren.
Aber ein Versuch lohnt sich, denn sie zeigt auf, an welcher Stelle wir aktiv arbeiten können und dürfen, um unser Leben zu komplettieren.
Wenn ich also beispielsweise eine eher unordentliche, ungemütliche Wohnung habe und in den Mangel verfalle, dass ich keinen Besuch empfangen kann, weil ich mich wegen meiner Wohnung schäme, dann kann dieser Mangel Anlass für mich sein, mir den Wert der Ordnung zu erobern und zu erarbeiten und mich insgesamt viel wohler zu fühlen.
Etwas überspitzt könnte man sagen, Mangel kann wie ein Katalysator wirken, indem er uns -je dringender, desto deutlicher- auf Missstände und Unstimmigkeiten in unserem Leben hinweist, die es zu klären und lösen gilt. Häufig brauchen wir als Menschen diesen gewissen „Leidensdruck“, um uns auf den Weg zu machen und die Dinge anzugehen.
In diesem Sinne möchte ich mit diesem Artikel dazu anregen, den Mangel, den Sie in Ihrem Leben haben oder verspüren, einmal aus diesem anderen Blickwinkel zu betrachten und ihm dadurch vielleicht etwas positiv abgewinnen zu können: Nämlich das Wachstumspotential, was er offenbart.
Dazu muss man ziemlich über seinen eigenen Schatten springen, und der kann, je nach Mangel, sehr lang sein.
Es ist aber definitiv den Versuch wert, denn bei allem Negativen, was den Mangel ausmacht, gibt es eben auch diese zweite Seite der Medaille, die uns zeigt, was wir in unserem Leben erobern und integrieren können, um den Mangel zu tilgen und daran zu wachsen. Insofern darf man die „Angst vor dem Mangel“ verlieren lernen, weil er eben auch Anlass für unser persönliches und seelisches Wachstum ist und das macht ganz wesentlich das sinnerfüllte Leben aus.
Es geht nicht darum, den Mangel nicht ernst zu nehmen oder „klein zu reden“, sondern darum, ihm seine Macht über unser Leben und unser Befinden zu nehmen, indem wir ihm seinen vermeintlichen Schrecken nehmen und ihn aus einer anderen Perspektive betrachten, die uns unsere Selbstmacht zurück gibt und uns gleichzeitig befähigt, erwachsen, kompetent und lösungsorientiert mit unserem Mangel umzugehen.
Herzlichst
Carmen Piltz