Aschenputtel, Prinzessin, Narr … oder was?
von Ava Hauser -
Familie gibt Wurzeln und verleiht Flügel. So das Ideal. Wohl kaum jemand kann von sich sagen, dass die eigene Familie dieses Ideal erfüllt. Nicht nur wir Frauen haben oft ein stressgeprägtes Verhältnis zur Herkunftsfamilie oder zu einem Elternteil.
Mein Verhältnis zu Mutter, Vater und Geschwistern ist und bleibt geprägt von der Rolle, die ich bereits als Kind in diesem System eingenommen habe. Ich bin Sündenbock, Nesthäkchen, Aschenputtel, Außenseiter, Kronprinzessin oder etwas anderes – und bleibe dies ein Leben lang.
Es ist gut, sich einmal mit der eigenen Rolle im Familiengefüge auseinanderzusetzen. Meine Position in der Familie erfüllt eine Funktion. Oder anders ausgedrückt: als ich in diese Familie hineingesetzt wurde, habe ich ein Etikett erhalten. Und fortan habe ich mich diesem Etikett gemäß verhalten. Und alles war gut.
Oder etwa nicht? Die Probleme fangen an, wenn wir aus diesem Etikett ausbrechen wollen. Wenn wir unser eigenes Leben leben wollen, das nicht zwangsläufig den Vorstellungen der Eltern oder Geschwistern entspricht. Viele wagen schon an dieser Stelle nicht, den Gedanken weiterzuspinnen. Denn die Familie begehrt auf.
Sie tut das mit gutem Recht, hat sie doch im selben Moment, als ich mein Etikett erhielt, ein Handbuch erhalten. Dieses Handbuch war die Gebrauchsanweisung, wie sie mit mir umzugehen haben. Sie wussten deshalb welche Knöpfe sie drücken müssen, um bei mir eine bestimmte Reaktion oder Handlung auszulösen. Jetzt soll all das nicht mehr gelten?!
Niemand ist da begeistert. Machen wir uns klar, dass das Ausbreiten der Flügel immer Widerstand erzeugen wird. Der Moment in dem ich zu neuen Ufern aufbreche, ist der Moment an dem meine Familie loslassen muss. Und das wird ihr – je nachdem wie gut sie mit Wandel und Veränderung umgehen kann – mehr oder weniger schwerfallen.
Die Lösung liegt im Annehmen. Und das heißt nicht nur, dass beide Seiten die Veränderung annehmen lernen.
Das heißt vor allem, dass wir Annehmen, dass es nicht darum geht perfekt und fehlerfrei zu funktionieren. Es gehört zum Prinzip Leben, dass wir Fehler machen. Wir alle. Ich als Mutter, ich als Tochter und ich als Schwester.
Wir können die Fehler vergangener Generationen nicht nicht (ja das ist schon richtig, 2 x nicht hintereinander) wiederholen. Wir machen vielleicht andere Fehler oder sogar die gleichen Fehler wieder. Und das ist in Ordnung so. Denn vom Perfektionismus kann man nicht lernen.
Entwicklung entsteht erst, wenn man dem Leben erlaubt, sich in all seiner vollkommenen Unvollkommenheit in jedem Moment und in jedem Menschen zu entfalten.
Ehren wir also die Fehler unserer Ahnen, unserer Eltern und unsere eigenen Fehler als das, was sie wirklich sind: Stufen auf einer Treppe, die uns emporträgt zu neuen Erfahrungen. Nicht mehr und nicht weniger.
Ein Artikel von Ava Hauser